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Schreckliche Tradition
Ist die LINKE in Teilen antisemitisch? Petra Pau antwortet auf Jürgen Aust (»nd« vom 2./3. August)
Unter Linken gibt es keinen Antisemitismus. Das verbietet bereits das Parteiprogramm. Lese ich. Anderslautende Vorwürfe seien perfide Manöver des Imperialismus und seiner bürgerlichen Medien. Bei Facebook laufen dazu seit Tagen harsche Kontroversen - unter Linken. Ich verfolge sie mit Sorge und Hoffnung. Denn es bringt nichts, die Widersprüche länger auszublenden.
Und die sind nicht neu. Im Extrem wird - beiläufig - sogar Israel in Frage gestellt. Gregor Gysi meinte vor ein paar Jahren, die Existenz Israels sei Bestandteil deutscher Staatsräson. Dazu meldete ich Widerspruch an. Denn ich halte nichts von »Staatsräson«. Aber ich bin für eine sachlich-kritische Klärung all dieser linken Differenzen, pro Frieden, pro Israel, pro Palästina.
Natürlich bleibt Frieden das oberste Gebot unter Linken. Aber ein Gebot allein schafft noch keinen Frieden. Immer bedarf es kluger Analysen und konsequenter Politik. Doch was ist klug, was konsequent? Was sind die Maßstäbe?
Im aktuellen Konflikt rund um die Ukraine besteht die LINKE darauf, dass man die Ambitionen aller Beteiligten zumindest verstehen muss, was nicht teilen heißt. Im ebenso brisanten Nahost-Konflikt verkünden Linke stolz: »Jawohl, wir sind einseitig!« Einseitig kontra Israel, liest sich der Aufruf.
Seriöse Untersuchungen belegen wiederholt: Ein Viertel und mehr der Bevölkerung in Deutschland ist für antisemitische Klischees empfänglich und aktivierbar - quer durch alle Schichten und über alle Parteipräferenzen hinweg. Ausgeprägt bei Rechtsextremen, dort ist Judenhass konstituierend. Aber auch Linke sind mitnichten vor antisemitischen Vorbehalten gefeit.
Das hat sogar eine schreckliche Tradition. In der Sowjetunion wurden Juden verfolgt, weil sie Juden waren. In der DDR galten selbst Kommunisten mit jüdischen Wurzeln zuweilen als fragwürdig. Und in einer vermeintlich links-alternativen Denkrichtung sind Juden böse, sofern sie sich zu Israel bekennen und damit angeblich a priori die Politik des Staates gutheißen.
Solche Pauschalität gibt es gegenüber keiner anderen Kultur und keinem anderen Glauben. Niemand käme auf die Idee, alle Christinnen und Christen zu verdammen, obwohl ihre Abendländer Kriege ohne Unterlass geführt haben. Bei Jüdinnen und Juden ist das immer wieder gang und gäbe, auch hierzulande. So, als hätte es den Holocaust Made in Germany nicht gegeben.
Ja, die Shoa! Sie war auch für überlebende Jüdinnen und Juden eine tödliche Erfahrung. Nämlich, dass selbst in Stunden allerhöchster Not niemand - von Einzelnen abgesehen - bereit war zu helfen. Das kann ein aggressives Selbstschutzgefühl erklären. Gutheißen muss man es nicht. Aber es ist nicht aus dem Jüdischen erwachsen, sondern aus unsäglich erlebter Ohnmacht.
Die Grenze zwischen unabdingbarer Kritik an der Politik Israels und latentem Antisemitismus verschwimmt meist dann, wenn der Nahost-Konflikt eskaliert. Verständlich. Aber es ist nicht respektabel, wenn sie durch neue Gewissheiten ersetzt wird: hie böse, da gut. Wer Frieden in Nahost will, darf die Militanz Israels nicht kritisieren und zugleich den Terror der Hamas verschweigen.
Genau das aber geschieht aktuell, auf Demonstrationen und Kundgebungen. In Deutschland, in Frankreich und anderswo. Und häufig waren Linke - zumindest - dabei. Im Namen des Friedens! Ich finde das scheinheilig. Dass etliche Medien dies gegen die LINKE in Stellung bringen, ist dummdreist, war aber erwartbar. Erfinden mussten sie es nicht. Es wurde frei Haus geliefert.
Schließlich: Gern werden zur Klärung von Schuldfragen die Opfer auf der einen und die auf der anderen verrechnet. Das ist zynisch. Tote sind keine Zahl. Sie waren Menschen. Die in Palästina ebenso wie die in Israel.
Bücher zum Thema:
Der 33-Tage-Krieg
Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und seine Folgen
Die Araber und der Holocaust
Der arabisch-israelische Krieg der Geschichtsschreibungen
Krieg ohne Ende?
Israel und die Palästinenser - Geschichte eines Konflikts
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