Regierung lehnt Ruf nach kostenlosem Urlaub für Kinder ab
Kipping plädiert für Gutscheine: 500 Euro für Erwachsene, Kinder sollen zwei Wochen kostenlos Ferien machen können / CDU gegen »sozialistische Einheitsbeglückung« / Paritätischer: Kein Gutschein, aber Finanzhilfen
Berlin. Die Bundesregierung plant aktuell keine zusätzlichen Hilfen, um allen Kindern aus armen Familien eine Urlaubsreise zu garantieren. Sprecher des Familien- und des Arbeitsministeriums verwiesen am Montag in Berlin auf bereits bestehende Angebote der verschiedenen Sozialverbände, Kirchen und den rund 100 Familienferienstätten in Deutschland. Zum Teil würden diese Einrichtungen auch mit erheblichen Mitteln des Bundes unterstützt.
Das Bundesarbeitsministerium verwies darauf, dass im Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder von Langzeitarbeitslosen und bedürftigen Eltern bereits ein monatlicher Zehn-Euro-Zuschuss für Vereinsmitgliedschaften enthalten sei. Zudem sei im Hartz-IV-Regelsatz oder der Grundsicherung bereits ein Anteil für Reisen berücksichtigt. Die Eltern seien aber nicht verpflichtet, dieses Geld auch für den Urlaub ihrer Kinder einzusetzen. Für ein- oder mehrtägige Klassenfahrten gebe es Zuschüsse auf Antrag.
Im Bundesfamilienministerium wurde auf die Vielzahl von Urlaubsangeboten für Kinder von freien Trägern, Kommunen und Ländern hingewiesen. Die Familienferienstätten, die vor allem kinderreichen Eltern Angebote machten, würden auch vom Bund unterstützt. Eine nützliche Übersicht stelle der Katalog der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung dar. Er enthalte auch eine Liste der Familienferienstätten. Kirchen und soziale Träger würden zudem auch helfen, Zuschüsse der Kommunen zu bekommen.
Anlass der Äußerungen sind Forderungen der Linken-Parteichefin Katja Kipping und des Hauptgeschäftsführers des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, in der »Welt« (Montag) nach Finanzhilfen für Urlaubsreisen von Kindern aus armen Familien.
Linkenchefin Katja Kipping schlug in der »Welt am Sonntag« für bedürftige Erwachsene Urlaubsgutscheine und für Kinder kostenlosen Urlaub vor. »Alle Menschen mit niedrigen Einkommen, also Sozialleistungs- und Wohngeld-Berechtigte, sollten Gutscheine erhalten, die sie für Urlaubsreisen einlösen können: entweder in Jugendherbergen, bei der Bahn für Fahrkarten oder im Reisebüro«, so die Linkenpolitikerin. Kinder sollten demnach nach zwei Wochen lang kostenfrei Urlaub in einem Ferienlager oder bei Ferienfreizeiten machen können.
Der Paritätische Gesamtverband äußerte sich ähnlich, will aber keine Gutscheine auflegen. Für Kinder aus ärmeren Familien solle es Finanzhilfen für Urlaubsreisen geben, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. Es müsse garantiert sein, dass vor Ort über die Jugendverbände Freizeitfahrten und Ferienreisen angeboten würden und kein Kind ausgeschlossen bleibe, nur weil es kein Geld habe. Einen »neuen Gutscheinmurks« wie es ihn beim beim Bildungs- und Teilhabepaket gegeben habe, das 2011 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt worden war, will Schneider allerdings verhindern. »Es muss vor Ort geregelt werden, wie die Förderung passiert. Jugendverbände haben hier eine Schlüsselrolle einzunehmen.«
Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) forderte mehr finanzielle Hilfen. »Mit zehn Euro pro Monat und Kind, die das Bildungs- und Teilhabepaket vorsieht, sind selbst die kostengünstigsten Ferienfreizeiten nicht zu finanzieren«, kritisierte die Verbandsvorsitzende Lisi Maier in der »Welt«.
Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Marcus Weinberg (CDU), sagte der Zeitung: »Grundsätzlich ist es wichtig, dass gerade Kinder aus sozial und finanziell schwachen Familien ausreichend Erholung auch von ihrem schwierigen Lebensumfeld bekommen.« Kippings Vorschlag für Gutscheine kritisierte Weinberg dagegen als »sozialistische Einheitsbeglückung durch den Staat«. »Statt pauschalem Urlaubs-Kollektivismus brauchen wir abgestufte Unterstützungs- und Förderangebote für Familien in schwierigen Situationen«, sagte der CDU-Politiker.
Die Grünen verlangten ein Gesamtkonzept. »Es ist eine Gerechtigkeitsfrage, dass auch Kinder aus armen Familien mal rauskommen, neue Erfahrungen machen, etwas Neues erleben«, sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Katja Dörner. Oft scheitere das allerdings am Geld: »Wir brauchen jedoch kein Klein-Klein, sondern ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Kinderarmut.« Dazu gehöre in einem ersten Schritt eine deutliche Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder. Agenturen/nd
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