Bundesregierung prüft Lieferung von Rüstungsgütern in den Irak
Minister denken öffentlich über mögliche Rüstungshilfen nach / Linkspartei debattiert über Waffenhilfe für die Kurden
Angesichts der Irak-Krise prüft die Bundesregierung eine großzügigere Auslegung ihrer Richtlinien zum Rüstungsexport. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (Mittwochsausgabe) mit Blick auf Waffenlieferungen an den Irak dafür aus, »bis an die Grenzen des politisch und rechtlich Machbaren zu gehen«. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) schloss Waffenlieferungen nicht mehr grundsätzlich aus. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lässt die Ausfuhr defensiver Rüstungsprodukte prüfen.
Die Minister argumentierten, dass humanitäre Hilfe für die irakischen Jesiden und andere Minderheiten, die durch die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) existenziell bedroht seien, nicht mehr ausreiche. Die Welt erlebe »die Vorbereitung eines Völkermords« an den Jesiden, sagte Gabriel nach einem Treffen mit Vertretern der Glaubensgemeinschaft in Berlin. Mit Blick auf deutsche Rüstungshilfe sagte er: »Ich will nicht sagen, dass man nicht auch darüber nachdenken muss.« Derzeit seien solche Ausfuhren in den Irak aber noch »kein Thema für Deutschland«.
Im Nordirak spielt sich ein schrechlicke Tragödie ab. Nach einem Überraschungsangriff der Kämpfer vom Islamischen Staat (IS) sind jesidische Kurden in die Bergregion von Sindschar nahe der syrischen Grenze geflohen. Ihr Schicksal ist offen, Deutschland könnte helfen. Über die Frage, wie die Hilfe aussehen soll, ist eine Debatte ausgebrochen. Mehr
Steinmeier sagte der »FAZ«: »Humanitäre Hilfe für alle, die Schutz brauchen und die Hilfe gewähren, ist eine Selbstverständlichkeit, aber wir müssen schauen, ob wir nicht mehr tun können und mehr tun müssen.« Er werde »schnellstmöglich« mit den europäischen Partnern weitere Schritte besprechen.
Die Bundesregierung halte an dem Grundsatz fest, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, betonte Ministerin von der Leyen. »Aber unterhalb dieser Schwelle möchte ich alle Möglichkeiten ausnutzen, die zur Verfügung stehen.« Die Bundesregierung prüfe die Lieferung nicht-tödlicher Rüstungsprodukte wie Schutzfahrzeuge, Nachtsichtgeräte oder Sprengfallendetektoren. Geprüft werde zudem, wie die Bundeswehr zum Transport solcher Güter eingesetzt werden könnte.
Noch am Montag hatte Regierungssprecher Steffen Seibert die Lieferung deutscher Waffen an den Irak abgelehnt und auf die geltenden Exportrichtlinien verwiesen, welche solche Lieferungen in Konfliktregionen untersagten. Gabriel sagte dazu: »Wir wären rechtlich in der Lage, die irakische Armee besser auszustatten.« Deutschland könne Waffen in Konfliktregionen liefern, wenn ein »besonderes Sicherheitsinteresse« vorliege.
Die USA liefern nach eigenen Angaben bereits Waffen in den Irak. Frankreich und Italien denken über ein solches Vorgehen nach.
Forderungen nach Waffenlieferungen in den Irak waren am Montag von einzelnen Unionsabgeordneten erhoben worden. In der SPD stoßen solche Gedankenspiele auf breite Skepsis. Für die SPD müsse weiter gelten: »Keine Rüstungsgüter in Spannungsgebiete oder an Diktaturen«, sagte Parteivize Ralf Stegner zu »Handelsblatt Online«.
In der Linkspartei führte ein Vorstoß von Gregor Gysi zu Waffenhilfe für die Kurden und den Irak zu einer Debatte: Führende Politiker widersprachen Fraktionschef Gregor Gysi, der die Lieferung deutscher Waffen an die nordirakischen Kurden unter bestimmten Umständen befürwortet hatte: »In dieser Notsituation ist das erforderlich, um größeres Unheil zu verhindern«, sagte er der »taz«.
Gysi reagierte am Nachmittag in einer gemeinsamen Erklärung mit den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger auf die Kritik. »Jeder Akt der Selbstverteidigung gegen den Vormarsch der Terrorbanden des 'Islamischen Staats' ist legitim«, heißt es darin. Die Forderung nach Waffenlieferungen wird nicht mehr erhoben. AFP/nd
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