Bergwerke des Donbass im Ruhezustand
Kumpel warten ab, demonstrieren gegen den Krieg oder kämpfen bei den Aufständischen
Fast alle Bergwerke des Donezbeckens befinden sich derzeit im Ruhezustand. Die Kumpel bauen keine Kohle ab, es wird nur Wasser aus den Schächten gepumpt. Ein Weiterbetrieb der Bergwerke ist nicht möglich, weil immer häufiger der Strom ausfällt. Bergleute wurden auf dem Weg zur Arbeit beschossen, Gebäude durch Geschosse beschädigt. Ein Teil der Arbeitslosen wird sich nun vermutlich den Aufständischen anschließen. Andere werden wohl versuchen, mit ihren Familien aus dem Kriegsgebiet zu fliehen.
Ein großer Teil der Bergarbeiter beteiligte sich bisher an keinerlei Aktionen. Mitte Juni zogen allerdings mehrere Tausend Beschäftigte verschiedener Kohlegruben mit Plakaten »Schluss mit dem Krieg!« und »NATO Nein!« durch die Großstadt Donezk. Von der Regierung forderten sie die Einstellung der »Anti-Terror-Operation«.
Den Großteil der Bevölkerung in der Ostukraine treibt die Sorge, dass das Zerbrechen der engen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland ökonomisch das Ende der Region bedeutet. Das ist auch der Grund warum sich viele Bergarbeiter der etwa 20 000 Mann starken Donezk-Armee der Aufständischen angeschlossen haben.
Der größte Arbeitgeber in der Ostukraine, der Oligarch Rinat Achmetow, versuchte Mitte Mai offenbar aus Sorge um sein Eigentum, Belegschaften in Bergwerken und Stahlbetrieben zu mobilisieren. Sie sollten eintreten für eine einige aber dezentralisierte Ukraine und sich gegen die Separatisten wenden. Doch dem Aufruf des Oligarchen folgten nur wenige Belegschaftsangehörige. In dem von Achmetow gebauten Fußballstadion in Donezk fanden sich nur 200 mit Bussen herangekarrte Arbeiter zu einer Kundgebung ein.
Das Verhältnis zwischen den Aufständischen und den Betriebsleitungen im Donezk-Gebiet ist aber zum Teil gespannt. Zu einem ernsten Konflikt kam es am 21. Juni im Verwaltungsgebäude des Bergwerkes Komsomolez, das Achmetow gehört. Bewaffnete Aufständische, die in einem Schützenpanzerwagen vorgefahren waren, zwangen die Mitarbeiter des Bergwerkes, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Fußboden legen. Die Aufständischen brachen auf dem Betriebsgelände zwei Geldautomaten auf und beschlagnahmten den gesamten Fuhrpark: 13 Lastkraftwagen, vier Kleinbusse und vier PKW.
Die unabhängige Bergarbeitergewerkschaft der Ukraine verurteilte die Aktion scharf. Während der Aktion seien 700 Kumpel unter der Erde gewesen. Jede Explosion hätte »unwiderrufliche Folgen und den Tod der Bergarbeiter zur Folge gehabt«.
Der »Volksgouverneur« von Donezk, der 31-jährige Pawel Gubarew, begründete das harte Vorgehen auf einer Kundgebung in Donezk. Die Verwaltung des Schachtes habe sich geweigert, den Bergarbeitern, die bei den Aufständischen kämpfen, weiter den Lohn zu zahlen. Die Unternehmer des Donezk-Gebietes forderte Gubarew auf, »die Männer zu achten, die für den Schutz unseres Bodens kämpfen«.
Auch zwischen einfachen Soldaten der Donezk-Armee und der Führung der »Republik« gibt es offenbar einige Spannungen. In einem Offenen Brief »einfacher Kämpfer« wird beklagt, dass die Business-Elite der Ostukraine »mit aller Kraft« in die Machtstrukturen der Republik eindringen wolle. Offizielle Vertreter der Aufständischen seien oft »hochmütig«, würden »teure Autos fahren und teure Anzüge tragen«. Man könne aber nicht zulassen, dass »unter dem Schutz patriotischer Losungen« die ukrainische Business-Elite durch eine neue Elite der Donezk-Republik ausgetauscht werde, schreiben die Autoren. Sie wollten nicht akzeptieren, dass »über uns einfachen Arbeitern und Bauern neue Herren stehen«. Sie fordern demokratische Strukturen, Transparenz und klare Aussagen, wem Fabriken, Schächte und der Boden der Donezk-Republik gehören sollen.
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