Brettltruschn im Eisbach
Weltstadt der Welle: München lockt Flusssurfer aus vielen Ländern an - dabei drohte die Stadt einst mit Verbot
Sie ist sogar im Surferparadies Australien ein Begriff: Die Eisbachwelle mitten in München lockt Surfer aus aller Welt an. Und Touristen. Eine Traube Schaulustiger verfolgt die akrobatischen Sprünge und Kurven der Surfer, Reiseführer weisen auf die Attraktion hin. Fast immer sind Wassersportler zu sehen, bei Tag und Nacht, im Winter wie im Sommer.
Das Vorbild macht nun Schule. »Es gibt immer mehr Bestrebungen in mehreren Städten, künstliche Wellen zu bauen«, sagt der Wasserbauingenieur und Surfer Benjamin Di-Qual. Unter anderem in Nürnberg, Ingolstadt, Bad Reichenhall, Innsbruck, Hannover, Brixen, Luzern und an der Ruhr bei Bochum haben sich Initiativen zum Bau einer Welle gegründet.
Beim 2. Internationalen Flusswellen-Forum trafen sich unlängst in München Wasserbauingenieure, Vertreter von Kommunen und Surfer aus Deutschland, Österreich, Schweiz, USA und Kanada. Sie diskutierten auf Einladung der Bayerischen Ingenieurkammer-Bau über die perfekte Surfwelle sowie technische und rechtliche Aspekte.
»Das Tolle am Flusssurfen ist, dass man Energie nutzt, die schon da ist«, sagt Gerry Schlegel, Vize-Europameister im Flusssurfen. »Es ist sehr naturkonform«, sagt auch Di-Qual. Und: »Es braucht keine Großinvestition.«
Bauten unter Wasser sorgen für die Welle. Am Eisbach wird der Lauf durch eine besonders geformte Betonsohle verengt. So baut sich die Welle auf. Wasserbauingenieure überlegen nun, wie sie die Welle künstlich formen. Es gibt sogar Überlegungen mit verstellbaren Einbauten - so dass die Welle auf unterschiedliches Können und unterschiedliche Wassermengen einstellbar ist.
Flusssurfen ist eine urbayerische Sportart. Sie entstand am Eisbach in München. Weil das Meer so weit weg ist und die Sehnsucht groß. Der passionierte Surfer Arthur Pauli stieg 1965 erstmals auf sein selbst gezimmertes Holzbrett. Ein Seil hatte er an einen weit in den Fluss ragenden Baum gebunden. »Meine Idee war, das Seil in die Hand zu nehmen, sich auf ein Brett zu stellen - und zu surfen«, sagt er in einem Internet-Video. Alles perfekt: Grünes Wasser, Strömung - »und vor allem nur 500 Meter von Zuhause«. Brettltruschn nannten die Pioniere ihren neuen Sport. Dann gelang es den Ersten, auf einer Welle gegen die Strömung zu fahren. Das Seil wurde überflüssig - und das Flusssurfen trat den Zug um die Welt an.
Dem Wellenreiten im Meer ist es durchaus vergleichbar. Allerdings kommt es im Meer darauf an, Wind, Wetter und Strömung zu beobachten und im rechten Moment zu starten. Im Fluss funktioniert der Einstieg vom Rand, stehend oder mit einem Sprung vom Ufer aufs Brett. Und die Welle endet nie. Außerdem ist die Laufrichtung des Wassers anders. Nur direkt auf der Welle kommt es von unten. Sonst fließt das Wasser im Fluss von vorn auf den Surfer zu, im Meer von hinten.
Die Surf-Hauptstadt München hat ihren Ruhm allerdings nur dem hartnäckigen Kampf der Sportler zu verdanken. Denn die Schlösser- und Seenverwaltung wollte das Surfen aus Sicherheitsgründen einst verbieten. In dem reißenden Eisbach gab es tödliche Unfälle, allerdings nie mit Surfern. Nach Unterschriftenaktionen setzten sich die Surfer durch. Das Gelände wurde der Stadt übertragen, die das Surfen seit 2010 duldet.
Surfer schwärmen von der Eisbachwelle wie Skifahrer vom frischen Pulverschnee in steilen Hängen. »Sie ist wahnsinnig konsistent und gleichbleibend. Der Wasserstand ändert sich kaum. Deswegen haben wir gleichbleibend gute Bedingungen. Und sie ist von der Fließgeschwindigkeit relativ stark, das Wasser ist relativ schnell«, sagt Surf-Meister Schlegel. »Es kommt sehr nah an das Surfen im Ozean.« Dort zieht es Surf-Profis natürlich trotzdem noch hin. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.