Berlin: Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeiterlager der Kirchen
Im »Friedhofslager« wurden mehr als 100 Zwangsarbeiter aus der besetzten Sowjetunion versklavt
Berlin. Berlin soll eine Gedenkstätte für das bundesweit bislang einzige bekannte kirchliche NS-Zwangsarbeiterlager in Neukölln bekommen. Entwürfe dafür und eine Kostenkalkulation sollen Anfang 2015 von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und der Fachhochschule Potsdam vorgestellt werden, sagte die evangelische Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein am Donnerstag in Berlin. Wann die Gedenkstätte eröffnet wird, ist noch offen.
Die evangelische Kirche betrieb von 1943 bis 1945 auf dem Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde an der Neuköllner Hermannstraße das sogenannte Berliner »Friedhofslager«, in dem mehr als 100 Zwangsarbeiter aus der besetzten Sowjetunion leben und arbeiten mussten. Es war den Angaben zufolge das einzige Lager in Deutschland, das von der Kirche geplant, finanziert und betrieben wurde. Beteiligt waren 42 Kirchengemeinden, darunter drei katholische Gemeinden, und der evangelische Berliner Stadtsynodalverband.
Die Insassen verließen das Lager zur täglichen Arbeit und erreichten ihre Einsatzorte auf den Friedhöfen der beteiligten Gemeinden mit U- und S-Bahn. In Berlin gab es in der NS-Zeit den Angaben zufolge rund 500000 Zwangsarbeiter und 3000 Lager.
In den vergangenen Wochen wurden den Angaben zufolge unter Beteiligung von Teilnehmern eines Jugendworkcamps mehrere sogenannte Bodenzeugnisse zerstörter Gebäude des Friedhofslagers freigelegt, darunter rund 80 Meter lange Fundamente der Wohnbaracke, ein unerwartet großer und gut erhaltener Kartoffelkeller, die Umrisse der Wirtschaftsbaracke und eine zum Komplex gehörende Müllgrube, in der auch zeitgeschichtliche Fundstücke erwartet werden.
Damit hätten die Ergebnisse einer Grabung vom September 2013 vervollständigt werden können, hieß es. Die Existenz des Lagers ist der Kirche den Angaben zufolge seit Mitte der 90er Jahre bekannt. Seit dem Jahr 2000 sei die Geschichte des Lagers systematisch auf Grundlage historischer Quellen aufgearbeitet worden. Das Material wurde publiziert und dokumentiert, darunter auch das Lagertagebuch eines Zwangsarbeiters. epd/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.