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Der Gysi von Frankfurt (Oder)
Der Spitzenpolitiker und der Kandidat René Wilke ähneln sich und treten zusammen auf
Gregor Gysi von Frankfurt (Oder) taufte die Lokalpresse den Landtagskandidaten René Wilke (LINKE). Etliche Genossen haben diese Bezeichnung übernommen. Bundestagsfraktionschef Gysi und Stadtfraktionschef Wilke sehen sich tatsächlich ein wenig ähnlich. »Das liegt vor allem an der Halbglatze«, weiß Wilke. Ihm gefällt, dass die Menschen daneben auch eine gedankliche Verwandtschaft sehen, die über das hinausgeht, was sich allein schon aus der Parteizugehörigkeit ergibt.
Mit ungewöhnlichen Ideen wartet Gysi gern auf. So regte er einst als Berliner Wirtschaftssenator an, dass Gastwirte ohne Genehmigung Stühle rausstellen dürfen und sich das Gewerbeamt nur in Fällen einschaltet, wo es Konflikte gibt. Bürokratieabbau lautete das Stichwort für den Vorschlag, der nicht verwirklicht wurde.
Wilke verwunderte seine Genossen jüngst mit seinem Engagement für das insolvente Südringcenter. Warum sich der 30-Jährige ausgerechnet in diese Sache so hineinhängt, konnten viele nicht verstehen. Wilke weiß aber, was er tut. Das Südringcenter sei wichtig für die Nahversorgung, als Ärztehaus und als sozialer Treffpunkt für 10 000 Einwohner von Frankfurt (Oder). Deshalb sei es wichtig, dass die Geschäfte und Arztpraxen trotz der Pleite geöffnet bleiben. In einer von ihm selbst extra einberufenen Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses gelang es Wilke, die Verantwortlichen an einen Tisch zu holen, so dass er inzwischen vorsichtig Entwarnung geben kann.
Bereits vor Jahren ließen sich Gysi und Wilke schon mal zusammen fotografieren. »Aber da hatte ich noch mehr Haare«, bemerkt der 30-Jährige schmunzelnd. Eine Ähnlichkeit ließ sich damals nicht erkennen. Nun gibt es eine neue Gelegenheit, sich gemeinsam ablichten zu lassen. In der Kampagne zur Landtagswahl am 14. September kommt Gregor Gysi am 1. September nach Frankfurt (Oder). Auf einer Kundgebung, die um 16 Uhr auf dem Marktplatz beginnt, redet der Spitzenpolitiker um 18 Uhr.
Schaden kann die prominente Unterstützung keinesfalls, aber ist sie überhaupt notwendig? Frankfurt (Oder) ist die Hochburg der märkischen Linkspartei schlechthin. 1999 und 2004 holte Frank Hammer den Wahlkreis souverän, 2009 siegte Axel Henschke. Nun soll Wilke es schaffen. »Du gewinnst doch sowieso«, wird ihm oft gesagt. Er antwortet dann: »Ich werde alles dafür tun, aber das ist kein Selbstläufer.«
Denn die LINKE hatte 2004 die Hälfte aller 44 Wahlkreise im Bundesland gewonnen und 2009 beinahe die Hälfte. Bei jeweils mehr als 27 Prozent der Zweitstimmen in ganz Brandenburg war es kein Kunststück, in vielen Gegenden an den Direktkandidaten von SPD und CDU vorbeizuziehen. Doch gegenwärtig steht die LINKE in den Umfragen bei 22 bis 23 Prozent und damit vor einer Situation wie bei der Landtagswahl 1999, als sie 23,3 Prozent erzielte und fünf Direktmandate holte. Heute gelten nach einer Prognose von election.de nur vier Wahlkreise als sicher, darunter der des Spitzenkandidaten Christian Görke in Rathenow und Umgebung und die Wahlkreise der Landtagsabgeordneten Kerstin Kaiser (Strausberg und Umland) und Hans-Jürgen Scharfenberg (Potsdam). Außerdem hat man in Parteikreisen noch den Wahlkreis 24 mit Luckenwalde und Jüterbog auf der Rechnung, und den Wahlkreis 31 mit Erkner und Hoppegarten. Alles darüber hinaus ist nicht unmöglich, aber schwierig.
Kerstin Kaiser betonte sogar vorsorglich, dass angesichts der Großwetterlage gar kein Wahlkreis als sicher gelten dürfte - also nicht einmal ihr eigener und auch nicht der von René Wilke. Für Wilke spricht, dass er bei der Kommunalwahl am 25. Mai von allen 199 Kandidaten für die Stadtverordnetenversammlung mit Abstand die meisten Stimmen erhielt: 2262 waren es, während sein CDU-Landtagskonkurrent Michael Möckel da bloß rund 700 Stimmen auf sich vereinigte. Mitbewerber Wolfgang Pohl von der SPD war bei der Kommunalwahl nicht angetreten. Aus Pohls Team hörte Wilke jedoch die resignierte Bemerkung, man mache ja nur Wahlkampf mit dem Ziel, den Abstand zur LINKEN nicht allzu groß werden zu lassen.
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