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Schall und Rauch am Flughafen
Finanzminister macht Druck wegen des Lärmschutzes, der nur schleppend vorankommt
Das Getöse startender Maschinen dringt nicht herein in diesen Raum auf dem Betriebsgelände des Flughafens Schönefeld. Doch was Abteilungsleiter Ralf Wagner und Finanzminister Christian Görke (LINKE) dort drin bereden, das wird nach außen dringen. Denn Journalisten dürfen zuhören. Alle Stühle sind am Montagnachmittag besetzt. Einige Kollegen haben auf der Fensterbank Platz genommen, andere müssen stehen.
Über die offenbar bescheidenen Fortschritte beim Lärmschutz rund um den künftigen Hauptstadtflughafen BER lässt sich Görke vom zuständigen Abteilungsleiter informieren. Anschließend geht er mit, als ein Ingenieurbüro das Eigenheim eines Anwohners begutachtet. Da werden Zimmer vermessen, Wände angeschaut und Fotos geschossen. Da wird ein Protokoll gemacht. Das alles ist die Grundlage dafür, welche Schallschutzmaßnahmen die Flughafengesellschaft FBB später bezahlt.
Es wäre sehr interessant, sich dies einmal anzusehen. Deswegen haben sich sehr viele Journalisten angemeldet, Fotografen und Kameraleute darunter. Angesichts dieses großen Andrangs hat es sich der Anwohner aber kurzfristig anders überlegt. Er habe um Rücksicht auf seine Privatsphäre gebeten, heißt es. Die Medien dürfen also dorthin doch nicht mitkommen. Schade. Das wäre der aufschlussreiche praktische Teil des Termins gewesen. Die von Abteilungsleiter Wagner an eine Leinwand geworfenen Grafiken und Tabellen sind nur die graue Theorie. Immerhin liefert Wagner die aktuellsten Zahlen, und der Minister, der im Stoff zu stehen scheint, sorgt mit gezielten Nachfragen und beiläufigen Bemerkungen mehrmals für Schmunzeln. So etwa, wenn er der FBB »beide Daumen drückt«, dass sie den Lärmschutz rechtzeitig hinbekommt, wobei die Stimmlage des Ministers verrät, dass er gewisse Zweifel daran hegt. Bis Ende 2015 wolle man »komplett durch sein«, hat Wagner erklärt.
So eine Bestandsaufnahme vor Ort dauert »eine Stunde, anderthalb, mehr nicht«, erläutert Wagner. Vier bis sechs Wochen danach sei die Berechnung fertig. Anschließend bekomme der Hauseigentümer grünes Licht für die als notwendig erachteten Bauarbeiten, die angeblich schnell erledigt sein können. Doch Görke weiß, wie schwierig es angesichts voller Auftragsbücher derzeit ist, Handwerker zu finden. Der 52-Jährige weiß noch mehr, denn in seinem Ministerium treffen Anfragen und Beschwerden von Anwohnern ein. Dadurch hat er erfahren, dass die Ingenieure angeblich selten eine Lärmdämmung außen an der Fassade vorschlagen, sondern im Grunde immer innen. »Was ist mit dem Wohnflächenverlust? Das müssen wir noch klären«, sagt der Politiker. Er hört zwar gern, dass die Ingenieurbüros die Hauseigentümer bei Pfusch am Bau beraten. Ihm gefällt aber nicht, dass die Bürger doch selbst die Mängelbeseitigung veranlassen müssen. Nicht jeder sei gewieft genug, sich gegen eine Baufirma durchzusetzen.
Von 730 Millionen Euro, die für den Schallschutz zur Verfügung stehen, seien erst 62,2 Millionen abgeflossen. »Das haben mir meine Mitarbeiter aufgeschrieben«, verrät Görke. »Da ist ja noch Luft.« Abteilungsleiter Wagner rechtfertigt dergleichen mit der Norm DIN 1946-6 für Lüftungsanlagen und damit, dass für Schönefeld Lärmschutzziele gelten, wie sie »Europa nicht kennt«. Görke kontert trocken, da hätte der Flughafen halt nicht in dicht besiedeltes Gebiet gesetzt werden dürfen. »Aber das ist jetzt alles vergossene Milch«, winkt er ab. Für einen anderen Standort sei es nun zu spät. Jetzt gelte: »Der Flughafen muss schnell ans Netz und braucht Akzeptanz.« Ersteres könnte an der problematischen Entrauchungsanlage scheitern, letzteres am Schallschutz. »Ich erwarte ein bürgerfreundliches und unbürokratisches Management von der Flughafengesellschaft, damit die Anwohner wirklich vor dem Fluglärm geschützt werden«, unterstreicht der Minister, der seit einigen Monaten im FBB-Aufsichtsrat sitzt.
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