- Brandenburg
- Brandenburg
Guben braucht keine Braunkohle
Bürgermeister Fred Mahro über die Beteiligung der Stadt am Lausitzer Klimacamp
nd: Sie haben am Sonnabend das Lausitzer Klimacamp eröffnet. Ihre Stadt Guben beteiligt sich dieses Jahr ganz offiziell am Protest gegen neue Tagebaue. Wie kam es dazu?
Mahro: Im Stadtparlament waren wir uns über die Parteien hinweg einig, dass wir als Stadt noch mehr nach außen treten müssen. Viel wird in der Öffentlichkeit von den drei Gemeinden Kerkwitz, Atterwasch und Grabko gesprochen, die wegen des Tagebaus Jänschwalde-Nord umgesiedelt werden sollen, oder Gemeinden wie Horno, die schon weggebaggert wurden. Unmittelbar betroffen sind aber auch die, die am Rand eines Tagebaus leben. Die Situation, in der sich Guben wiederfinden wird, ist einfach nicht hinnehmbar. Das kann man jetzt schon an der Gemeinde Grießen beobachten. Der Ort ist von der Neiße auf der einen und vom Tagebau auf der anderen Seite völlig eingekesselt. Wenn man dort vorbeifährt, sieht man, wie die Leute tagtäglich unter dem Tagebau zu leiden haben. Er verursacht viel Verkehr, und Sand weht aus der Kohlegrube herüber. Auf die Palme bringt die Leute hier, dass zwar viel über den Wechsel zu regenerativen Energien geredet wird, aber an das Schicksal derjenigen, die noch immer für die Stromerzeugung bluten müssen, wird nicht gedacht.
In der Lausitz leben viele von der Braunkohle. Gibt es deswegen in Guben Differenzen?
Bei der letzten Sitzung des Brandenburger Braunkohlenausschusses hatte Vattenfall in der Stadthalle Cottbus symbolisch Ortseingangsschilder aufgestellt. Auf denen stand, wie viele Einwohner jeweils bei Vattenfall arbeiten. Bei dem Gubener Ortsschild war das eine Zahl kleiner als 50. Selbst nach den Angaben von Vattenfall sind es also nicht besonders viele, die dort angestellt sind. In unserer Stadt wird das Thema Braunkohle vor allem aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen diskutiert. Da geht es darum, dass Guben eine der am meisten vom Braunkohleabbau betroffenen oder vielleicht sogar die am meisten betroffene Stadt in Deutschland sein wird. Man muss sich das vor Augen halten! Aus dem Süden nähert sich der Tagebau Jänschwalde. Im Osten plant die Republik Polen einem Tagebau, der in Luftlinie keine drei Kilometer von Guben entfernt sein wird. Im Westen befindet sich die Lieberoser Heide, ein ehemaliger Truppenübungsplatz, der noch nicht vollständig saniert ist. Auch dieses Gebiet kann absehbar weder wirtschaftlich genutzt noch besiedelt werden. Der einzige Weg, der uns künftig offen bleiben wird, ist der in Richtung Norden.
»Der Widerstand ist dringender denn je«, sagten Sie bei der Eröffnung des Camps. Wie lange schon protestiert Guben?
Es gibt zwar keinen direkten Beschluss der Stadt, dass Guben gegen die Braunkohle ist. Die Kommune hat aber beschlossen, sich am Braunkohleausschuss zu beteiligen. Dort war bisher immer der Vorsitzende der Gubener Stadtverordnetenversammlung vertreten. Das zeugt davon, dass die Stadt das Thema sehr wichtig findet. Seit den jüngsten Kommunalwahlen vom 25. Mai gab es keine Abstimmungen, die die Tagebaue tangierten, aber das bis zum 25. Mai agierende Stadtparlament war sehr skeptisch gegenüber der Braunkohle, und zwar überfraktionell. Brisant ist das zum Beispiel für die Linksfraktion. Die brandenburgische LINKE hatte vor der letzten Landtagswahl erklärt, gegen die Braunkohle zu sein, und war danach dann doch für die Braunkohle, zumindest als »Brückentechnologie«. Die LINKE in Guben hat allerdings immer gesagt, dass die Braunkohle keine Zukunft hat.
Sie selbst sind Mitglied der CDU, die hinter der Braunkohle steht. Hatten Sie Konflikte mit Ihrer Partei?
Meine Parteizugehörigkeit interessiert hier nicht. Ich bin Angestellter der Verwaltung und vertrete zurzeit den Bürgermeister. Eine Erklärung, wie ich als Politiker oder als Parteimitglied zur Braunkohle stehe, darf ich nicht abgeben. Das würde gegen die Grundsätze im öffentlichen Dienst verstoßen.
Anfang 2013 gingen die kommunalen Stromnetze teilweise zurück in die Hand der Stadt Guben ...
Wir haben hier klassische Stadtwerke. Die haben eine Tochter, die Energieversorgung Guben (EVG). Die EVG befindet sich zu 45 Prozent im Eigentum des Regionalversorgers EnviaM, einer RWE-Tochter, und zu 55 Prozent im Eigentum der Stadtwerke. Die Energieversorgung Guben ist 1993 gegründet worden und hat zunächst Gas und Fernwärme übernommen. Als 2012 die Konzession für das Stromnetz in Guben auslief und europaweit ausgeschrieben werden musste, hat die EVG die Ausschreibung gewonnen. Seit Anfang 2013 ist sie der Stromnetzbetreiber. Dadurch hat die kommunale Hand in Guben wieder die Hoheit über Fernwärme, Gas- und Stromnetze. Das Unternehmen EnviaM, das 20 Jahre über die Netze bestimmt hat, hatte sich natürlich auch um die Konzession beworben. Letzten Endes verlor es aber den Wettkampf um die Stromnetze. Nun ist EnviaM als Minderheits-Gesellschafter der EVG noch mit im Boot.
Was sind die Vorteile eines Stromnetzes in städtischer Hand?
Wer das Netz betreibt, hat Einfluss auf Investitionen und bestimmt, wo und was im Stadtgebiet passiert. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn wir Straßen sanieren, müssen die Betreiber der Versorgungsnetze eigentlich mitziehen. Dann können nicht nur die Straßen, sondern auch die Gasleitung saniert und die Stromkabel ausgetauscht werden. Das können wir jetzt intern klären und müssen keinen Dritten mehr fragen. Ich schmunzele übrigens immer, wenn von Energiedörfern gesprochen wird, die sich komplett selbst mit Strom versorgen. Seit Anfang 2013 speisen die umliegenden Gemeinden ihren Strom über ein Umspannwerk nach Guben ein. Sie erzeugen so viel Strom, dass sie uns mitversorgen. Nur an einem einzigen Tag im Jahr 2013 war es umgekehrt. Während wir den Tagebau und die Kohle vor der Tür haben, ist die Nutzung regenerativer Energien aus Biogas- und Solaranlagen bei uns schon lange stark ausgeprägt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.