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Keine Koalitionsaussage per Wahl-O-Mat
SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz ist zu 100 Prozent Sozialdemokratin und sonst gar nichts
Soll das Tempolimit 70 auf Alleen weiter gelten? Diese und 37 weitere Fragen muss jeder Nutzer des Wahl-O-Mats beantworten. Findet er das richtig oder falsch, ist es ihm egal? Am Ende spuckt der Computer aus, wie groß die Übereinstimmung der eigenen Ansichten mit den Positionen der elf Parteien ist, die zur Landtagswahl am 14. September antreten.
Am Donnerstagmorgen wurde dieser Wahl-O-Mat freigeschaltet. Spitzenpolitiker der fünf großen Parteien probierten das Internetangebot gleich mal zusammen im Landtag aus. Zehn Minuten dauert es gewöhnlich, hatte Pamela Brandt von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) vorher gesagt. SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz war schneller und als erste fertig. 100 Prozent Übereinstimmung mit der SPD nahm sie befriedigt und keineswegs überrascht zur Kenntnis. Schließlich hatte sie den Wahl-O-Mat-Machern persönlich geholfen, als diese bei allen Parteien die Ansichten zu bestimmten Themen abklopften und Begründungen erfragten. »Ich bin offensichtlich eine überzeugte Sozialdemokratin«, bemerkte Geywitz lächelnd. Keinen Spaß verstand sie jedoch, als sie um ihre Werte der Übereinstimmung mit LINKE und CDU gebeten wurde. Die wollte sie partout nicht abrufen, weil das dann möglicherweise als Präferenz für eine bestimmte Koalition gewertet werden könnte.
Derweil klickte sich neben ihr Finanzminister Christian Görke (LINKE) noch durch das Programm. Wohngeld nur für Deutsche? Nein. Strafen für den Besitz von Cannabis in geringen Mengen? Nein. Die Grunderwerbssteuer senken? Auch nicht. 98 Prozent Übereinstimmung mit der eigenen Partei. »Die Zeit der 100 Prozent ist vorbei«, witzelte er. Mit der SPD stimmte Görke zu 65 Prozent überein, mit der CDU zu 57 Prozent. Der CDU bescheinigte er daraufhin: »Sie ist sozialer geworden.«
Komischerweise wollte CDU-Landesvize Barbara Richstein, die selbst zu 60 Prozent mit der Linkspartei übereinstimmte, dies so nicht bestätigen. Die LINKE habe sich »uns angenähert«, unterstellte Richstein scherzhaft. Ihre Übereinstimmung mit der eigenen CDU lag bei 98 Prozent, die mit der SPD bei 66.
Deutlich länger als die politische Konkurrenz benötigten FDP-Fraktionschef Andreas Büttner und Grünen-Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher, um sich durchzuklicken. Auch bei ihnen gab es keine peinliche Überraschung. Zu 98 und 99 Prozent stimmten sie mit der eigenen Partei überein. Nonnemacher hatte die LINKE mit 76 Prozent auf Rang zwei, bei Büttner war dies nicht so. Der Liberale hatte es beispielsweise abgelehnt, dass Leiharbeiter vom ersten Tag an den selben Lohn erhalten wie die fest Angestellten. Das ist ein deutlicher Unterschied zur Linkspartei.
Der Wahl-O-Mat hat wahrscheinlich nur geringen Einfluss auf die Wahlentscheidung der Benutzer. Aus Befragungen weiß die bpb, dass 92 Prozent der Nutzer sich durch den Test lediglich bestätigt sehen. Fünf Prozent sagen allerdings, ohne den Wahl-O-Mat wären sie gar nicht zur Wahl gegangen, erklärt Online-Redakteurin Pamela Brandt. Wenn das stimmt, wäre das ein schöner Erfolg. Den dürften sich dann auch die 14 Jugendredakteure gutschreiben, die den Wahl-O-Mat für Brandenburg ehrenamtlich mit erstellten. Sie haben vier Tage lang »bis spät in die Nacht gesessen und gearbeitet«, wie Brandt lobend hervorhob. Aufgabe sei es dabei nicht gewesen, herauszufinden, welche Wahlversprechen die einzelnen Parteien früher vielleicht gebrochen haben. Der Wahl-O-Mat zeige nur, welche Versprechen jetzt gemacht werden.
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