Die Fische vom Opernplatz

Vor 20 Millionen Jahren lag Frankfurt nicht am Main, sondern am Meer

  • Sandra Trauner, 
Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
In Frankfurt wird viel gebaut. Je höher die Gebäude, desto tiefer muss man graben. Und wenn man tief genug gräbt, liegt Hessen am Meer.

Frankfurt am Meer: Der Strand in City-Nähe, die Temperaturen subtropisch. Klingt schön. Nur, dass es damals noch keine Menschen gab, die es hätten genießen können. Wir sprechen vom unteren Miozän. 20 Millionen Jahre ist das etwa her.

An der Alten Oper wird ein Hotel gebaut. Für die mehrstöckige Tiefgarage musste eine tiefe Grube ausgehoben werden: 20 Meter. Wenn so tief gebuddelt wird, ist das Denkmalamt immer dabei. Und tatsächlich fand man in zwölf Metern Tiefe Pflanzen, Kleintiere - und Fische. »Dass neben Fischen auch Pflanzenreste vorhanden waren, lässt auf einen ufernahen Lebensraum schließen«, erklärt die Leiterin des Denkmalamts der Stadt Frankfurt, Andrea Hampel. »Vor 20 Millionen Jahren lag mitten in Frankfurt unter dem Pflaster des Opernplatzes ein Meeresstrand.«

Recht viel mehr wissen die Denkmalschützer aber noch nicht über die Fische, die zum Teil 40 Zentimeter lang sind. »Wir stehen ganz am Anfang«, sagt Prähistoriker Christoph Willms vom Archäologischen Museum. Die meisten Funde sind bis heute noch nicht einmal präpariert, geschweige denn erforscht. Keine Stellen, kein Geld. Die Mitarbeiter beschäftigen sich eigentlich mit viel späteren Erdzeitaltern. Das älteste Exponat des ganzen Museums, ein Faustkeil, ist 200 000 Jahre alt.

20 Millionen Jahre, das ist eigentlich die Sache von Geologen. Die waren nicht überrascht von dem Fund: »Man konnte das erwarten, es gab schon früher ähnliche Funde aus diesen Schichten in der Nähe«, sagt Gudrun Radtke vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie in Wiesbaden, die für das Rhein-Main-Gebiet zuständige Landesgeologin. Zu der Zeit, aus der die Fische stammen, lag - überspitzt ausgedrückt - quasi Kassel an der Nordsee und Mainz am Mittelmeer.

»Land« waren die Kasseler Berge und der Harz, den Vogelsberg gab es noch nicht, vom Flachland ganz zu schweigen. Es gab den Oberrheingraben, »eine Meeresstraße zwischen dem damaligen Nordmeer und dem Vorläufer des Mittelmeers im Süden«, wie Radtke erklärt. Es gab die Hessische Senke, »eine kurzfristige marine Verbindung« zur Nordsee, wie in der Datenbank »GeoDZ« nachzulesen ist. Und es gab das Mainzer Becken: eine Meeresbucht dort, wo heute Rheinhessen ist. Bei Grabungen stießen Experten dort auf massenweise Hornschnecken, Körbchenmuscheln, Wattschnecken und andere Brackwasser-Bewohner aus dem Miozän.

Die Fische von der Alten Oper in Frankfurt sind aufgrund ihrer vollständigen Erhaltung allerdings auch für Fachleute eine Besonderheit. Bislang waren nur fossile Muscheln und Schnecken gefunden worden, oder Pflanzenreste wie etwa 1996 beim Bau einer der Kläranlage im Stadtteil Niederrad: rund 150 verschiedene versteinerte Pflanzen, die fünf bis drei Millionen Jahre alt sind.

Geologen freuen sich, dass in Frankfurt so viel und so hoch gebaut wird. Denn dann muss man auch tief graben oder bohren. Kürzlich hat Radtke Gestein aus weit tieferen Schichten als an der Alten Oper ausgewertet: Beim Neubau der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Osten wurde 150 Meter tief gebohrt, um die Erdwärme zu nutzen. Das Gestein stammte aus dem Tertiär und war bis zu 35 Millionen Jahre alt. dpa/nd

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