Das kostbare Nass im T-Shirt

WWF-Studie: Wasserverschwendung in der Lieferkette ist für deutsche Wirtschaft kein Thema

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Wirtschaftssektoren in reichen Staaten wie Deutschland tragen Verantwortung für die globale Wasserknappheit. Das ergibt eine Studie der Umweltstiftung WWF.

Süßwasser wird vielerorts immer knapper. Dies betrifft nicht mehr nur Entwicklungsländer und Wüstenregionen. »Für die Wasserkrise verantwortlich und zugleich von ihr betroffen« sind wichtige Wirtschaftszweige auch im deutschsprachigen Raum, heißt es in einer Studie der Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) zur am Sonntag anlaufenden Weltwasserwoche. Zu dieser jährlich stattfindenden Großveranstaltung des International Water Institute werden 2500 Experten, Politiker und Wirtschaftsvertreter in Stockholm erwartet. Das Motto laut in diesem Jahr: »Energie und Wasser«.

Der WWF weist in seiner Studie darauf hin, dass in Deutschland, Österreich und der Schweiz Wasser zwar in ausreichender Menge verfügbar und gut verwaltet ist. Doch werde oft vergessen, dass sich etwa die Wirtschaft in der drittgrößten Importnation Deutschland erheblich auf wasserintensive Waren aus dem Ausland stützt. Dabei würden neben den Produkten auch »Wasserrisiken« importiert: Viele dieser Importe stammen aus Ländern mit großer Wasserknappheit, schlechter Wasserqualität, unzureichender Gesetzgebung und empfindlichen Ökosystemen.

Die Studie identifiziert als wichtigste deutsche Importsektoren mit direktem Wasserrisiko die Ernährungs-, Chemie-, Textil- und Bekleidungs- sowie die Rohstoffindustrie. Indirekte Träger des Wasserrisikos sind laut WWF auch Finanzdienstleister, die in betroffene Unternehmen investieren. Ebenso der Einzelhandel. »Oft ist es dem Management in diesen Sektoren gar nicht klar, dass bestimmte Schwierigkeiten irgendwo in der Herstellungskette am Wassermangel liegen. Das Thema muss mehr in das Bewusstsein der Manager«, sagt Studienautor Philipp Wagnitz gegenüber »nd«.

Laut WWF verbraucht beispielsweise die deutsche Wirtschaft durch den Import von Baumwolle und Textilien in Pakistan jährlich 5,46 Kubikkilometer Wasser. Damit könnte der Starnberger See bei München fast zweimal nachgefüllt werden. In China, Bangladesch und Indien verbrauche Deutschland wegen der umfangreichen Textilimporte indirekt ebenfalls Unmengen an Wasser.

Auch in Russland, Libyen und Südafrika beanspruchen Industriestaaten durch Rohstoff- und Metallimporte viel Wasser. So bezog Deutschland 2012 aus dem wasserintensiven südafrikanischen Bergbausektor rund 5,5 Millionen Tonnen Steinkohle, Metalle und Erze. »In Südafrika mussten 2011 Minen kurzfristig wegen Wassermangels stillgelegt werden. In Indien musste ein Getränkehersteller schließen, weil die lokale Gemeinde gegen seinen hohen Grundwasserverbrauch protestierte«, nennt Wagnitz als Beispiele für Wasserrisiken. Wegen ihrer exportorientierten Landwirtschaft verbrauchen etwa Äthiopien, Indonesien und Argentinien viel Wasser, schreibt der WWF. China, Indien und Marokko hätten durch Chemikalien-Export einen sehr hohen Wasserverbrauch.

All dies seien Länder, in denen das Engagement für nachhaltige Wasserwirtschaft reicher Importnationen wie Deutschland gefragt sei, so Wagnitz. »Zurzeit werden Produktionsorte einfach verlegt, wenn lokal nicht mehr genug Wasser vorhanden ist. Aber das kann man nicht in die Unendlichkeit fortsetzen und Importeure müssen das verstehen, weil es letztlich Auswirkungen auf Preise hat«, so Wagnitz.

»Europas Gemüsegarten« in Südspanien droht sich durch zu viel Bewässerung selbst auszutrocknen. Allein Deutschland bezog 2013 von dort 180 000 Tonnen Tomaten im Wert von rund 250 Millionen Euro.

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