Vom Schmuddelkind zum Saubermann
Lange galt Brandenburg als Hochburg rechter Gewalttäter, heute wird sein Umgang mit der Nazi-Szene gelobt
Nach Einschätzung von Anti-Rechts-Aktivisten hatten alle im Landtag vertretenen Parteien ihren Anteil daran, dass es gelungen ist, die rechtsextremistischen Kräfte im Land in die Schranken zu weisen. Dirk Wilking vom demos-Institut hob am Donnerstag in Potsdam hervor, dass Brandenburg die Auseinandersetzung mit rechtsextremer Gesinnung »aktiv gewollt« habe, während sich andere Bundesländer solche Maßnahmen via Bundesprogramm nicht selten »oktroyieren« ließen. Der Einsatz gegen Rechts habe inzwischen Rückhalt in der Bevölkerung, in Institutionen und Verwaltungen. Das sei keineswegs immer so gewesen. Seit etwa zehn Jahren ist der Rechtsextremismus nicht mehr die zentrale Jugendkultur. »Plötzlich war der Skinhead out.«
Das Bild von der »braunen Hochburg« Brandenburg habe nach der Wende auch deshalb gezeichnet werden können, weil gerade Berliner Medien das Umland (»den S-Bahn-Bereich«) diesbezüglich unter die Lupe genommen hatten, so dass Vorfälle hier stärker Aufmerksamkeit erregten als in den weiten Räumen Ostdeutschlands, sagte Wilking.
Von einem »Brandenburger Weg« oder einem »Brandenburger Modell« sprach Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum. Und er schilderte, wie gerade in westlichen Bundesländern bewundernd auf Brandenburg geblickt werde und in seinem umfassenden Maßnahmepaket etwas gesehen werde, von dem man lernen könne. In Brandenburg gebe es die meisten Verbote von Kameradschaften und eine Polizei, die gegen Rechtsextremismus so aktiv ist, »dass sie beinahe schon übers Ziel hinausschießt«. Wenn Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg und Thüringen gleichzeitig mit Brandenburg aktiv geworden wären, »dann hätten sie heute mit Rechtsextremismus und auch rechtsextremer Gewalt ein geringeres Problem«, betonte er.
Bei der Kommunalwahl vor einigen Monaten hätten viele Jugendliche gar nicht gewusst, dass sie wahlberechtigt sind, erklärte Anna Spangenberg von Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus. Dies habe zu der äußerst geringen Wahlbeteiligung in dieser Altersgruppe beigetragen. Die in Sachsen mit fast zehn Prozent aus dem Stand sehr erfolgreiche Alternative für Deutschland (AfD) mochte niemand im Auditorium zum gegenwärtigen Zeitpunkt als rechtsextrem einstufen, eine rechtspopulistische Partei sei sie aber durchaus. Sie vermeide es, mit einstigen rechtsextremistischen Funktionären in Verbindung gebracht zu werden, speise sich aber aus diversen rechtsorientierten antiislamischen Bünden wie dem Bund freier Bürger und bediene sich bei den Republikanern. Außerdem operiere die AfD vornehmlich mit Ressentiments, wende sich an rechtsextreme Wähler und gefährde damit die politische Kultur, sagte Botsch. »Jede Partei, die gegen Minderheiten Stimmung macht, muss genau beobachtet werden«, ergänzte Spangenberg. Es sei zu konstatieren, dass die Wählerwanderung zur AfD letztlich die NPD den erneuten Einzug in den Dresdner Landtag gekostet habe, sagte Botsch. Doch gelte immer noch: Dort, wo die AfD stark gewesen sei, seien auch die NPD-Ergebnisse überdurchschnittlich gewesen. Der Rauswurf aus dem sächsischen Landtag koste die NPD 1,5 Millionen Euro und 40 steuerfinanzierte Stellen. Der Einzug der brandenburgischen NPD in den Potsdamer Landtag sei unwahrscheinlich. »Jede NPD-Stimme ist eine verschenkte Stimme.«
Botsch verwies auf Unterschiede in der AfD-Wählerschaft in Sachsen und Brandenburg. Während im Süden eher Verlierer der Entwicklung die AfD gewählt hätten, würden Umfragen sie in Brandenburg stärker bei den gut Situierten einordnen. Mobilisierungserfolge in der Mark habe die AfD dort errungen, »wo die soziale Lage gar nicht so schlecht« sei. Wahrscheinlich werde die AfD den Sprung in den Potsdamer Landtag schaffen. Die weitere Entwicklung dieser Partei sei aber »völlig offen«. Die sächsischen AfD-Wähler seien zumeist keine früheren Nichtwähler gewesen. Eine geringe Wahlbeteiligung helfe im statistischen Mittel rechtsextremen Parteien, warnte Botsch. Wer dies verhindern und trotzdem nicht wählen wolle, der könne ja auch im Wahllokal seine Stimme ungültig machen.
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