Erst saufen, dann prügeln

Zwei Polizisten wegen schwerer Körperverletzung beim Amtsgericht Tiergarten angeklagt

  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei Polizisten in Zivil haben vor einem Jahr einen schwarzen Berliner offensichtlich wegen seiner Hautfarbe auf offener Straße zusammengeschlagen. Gestern begann der Prozess.

»Im Zustand verminderter Schuldfähigkeit haben die Angeklagten einen anderen misshandelt«, heißt es in der Anklage. Mit anderen Worten: Felix T. (29 Jahre) und Tino P. (28) waren stinkbesoffen, als sie vor einem Jahr zu bester Frühstückszeit einen Mann schwarzer Hautfarbe schlugen und traten. Glück im Unglück: Das Opfer erlitt keine dramatischen Verletzungen, »nur« psychisch war es über Wochen angeschlagen. Die beiden Polizeibeamten außer Dienst hatten gerade eine Kneiptour hinter sich. Die Freunde waren nicht zufällig versackt, nein, sie hatten sich vorgenommen, sich nach schwerem Dienst erbarmungslos volllaufen zu lassen, mit Jägermeister, Mexicana und Bier.

Was nach achtstündigem hartem Tresengang am 2. September gegen 8.30 früh in Kreuzberg an der Wiener Straße/Ecke Ohlauer Straße, direkt am Görlitzer Park, geschah, schildern die beiden Angeklagten in Erklärungen über ihre Verteidiger in etwa so: »Wir bekamen von Schwarzen ständig Drogen angeboten. Als uns das zu viel wurde, wollten wir einen festnehmen. Drei Schwarze fielen über uns her, schlugen auf uns ein. Wir hatten uns nur verteidigt und bedauerlicherweise einen Schwarzen erwischt, der den Streit schlichten wollte. Danach hatten wir die Übersicht verloren und auch ein wenig die Erinnerung.« Als die Trunkenen nicht mehr weiterwussten, zückten sie ihre Dienstausweise und gaben sich als Polizisten zu erkennen. Mehr wollten sie dazu nicht sagen und keine Fragen beantworten. Für die herbeigerufenen Kollegen war anfangs klar, dass es sich hier um einen Antidrogeneinsatz handeln würde, denn sie stellten zuerst die Personalien des schwarzen Mannes fest, statt sich um die knackevollen Herren zu kümmern.

Zur Tatzeit waren viele Leute unterwegs, sie konnten genau schildern, was da in den Morgenstunden ablief. Die Aussagen ergaben ein völlig anderes Bild. Danach haben die verbeamteten Schnapsdrosseln regelrecht Jagd gemacht auf Schwarze. Nachdem einer geflohen war, knöpften sie sich den nächsten vor, der nachweislich schlichtend eingreifen wollte. Bei ihrer Aktion stießen die Gesetzeshüter im Alkoholdunst Rufe aus, als würden sie einen Affen im Käfig bändigen wollen - mit einer Polizeiaktion hat das kaum etwas zu tun. »Hau ab, du Penner«, hörte der Zeuge Michael M., ein 63-jähriger Musiker, den einen Suffkopp brüllen. Klingt auch nicht nach einer polizeilichen Drogenrazzia. Das Ganze spielte sich direkt vor einer Kita ab.

Liam G., das 34-jährige Prügelopfer und zuerst zufälliger Beobachter des Geschehens, verstand die Welt nicht mehr. Da prügeln zwei Weiße auf einen Schwarzen ein und als der flieht, wird er selbst zum Ziel der offensichtlich betrunkenen Angreifer, die sich kaum auf den Beinen halten können. Er konnte ja nicht ahnen, dass es Polizisten waren. »Ich würde es genauso wieder machen, egal ob Weißer oder Chinese, wenn jemand grundlos verprügelt wird, muss man helfen«, sagt Liam G. der Richterin.

Der Skandal um die Prügelpolizisten nimmt zwei Tage nach der Attacke seinen Fortgang: Eine recht unseriöse Zeitung, in Berlin beheimatet, berichtet reißerisch von einem Überfall von Drogendealern auf Polizeiermittler, bei dem zwei Beamte schwer verletzt wurden. Eine glatte Lüge, um die Hysterie um den Görlitzer Parkt weiter anzufeuern. Das brachte einige Zeugen, die noch vor Ort ihre Adressen ausgetauscht hatten, in Rage. Sie veröffentlichten einen Offenen Brief, in dem sie die Wahrheit zum Geschehen mitteilten. Das Urteil wird wahrscheinlich am 23. September gesprochen. Doch schon heute stellt sich die Frage, ob die Schläger im richtigen Beruf sind, wenn sie im Suff derart ausrasten.

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