Mit schweren Gefechten zur Waffenruhe
Lawrow nennt Streben Kiews in die NATO Sabotage / Ex-Geheimdienstler warnen vor US-Falschinformationen
Die »Vernichtung« von mehr als 100 Gegnern meldete am Donnerstagmorgen das ukrainische Militär aus dem ukrainischen Krisengebiet der »Anti-Terror-Operation«. Gegen Personal und Technik würden Schläge geführt, der Flughafen von Lugansk solle zurückerobert werden. Am Abend hieß es jedoch sogar bei der regierungsfreundlichen Agentur UNIAN, die Stadt befinde sich völlig unter Kontrolle der Aufständischen.
Heftige Explosionen wurden aus der ukrainischen Hafenstadt Mariupol berichtet. Ukrainische Soldaten sagten Journalisten, sie würden versuchen, einen Angriff gepanzerter Fahrzeuge der prorussischen Rebellen abzuwehren. Aus einem weiteren halben Dutzend Ortschaften wurden Kampfhandlungen berichtet.
Gerätselt wurde angesichts der jüngsten Rückschläge der ukrainischen Armee über das Schicksal des Verteidigungsministers Waleri Geletej. Die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, tagte in Kiew hinter verschlossenen Türen. Es solle auch um die Entlassung Geletejs gehen, sickerte über soziale Netzwerke durch. Zu militärischen Fragen wurde Vize-Minister Iwan Rusnak als »amtierender Verteidigungsminister« als Quelle genannt.
Die militärische Spitze war wiederholt für schwere Mängel bei der Führung der »Anti-Terror-Operation« im Donbass, Verluste und Niederlagen verantwortlich gemacht worden. Nur der Minister selbst war am 1. September mit einer stolzen Siegesmeldung und der verblüffenden Mitteilung aufgefallen, die Russen würden den Einsatz taktischer Atomwaffen planen.
Mehrfach wurde Russland beschuldigt, von seinem Territorium oder mit eigenen Militärs vor Ort in die Kämpfe einzugreifen. Gewissermaßen im Gegenzug beschuldigte Russlands Außenminister Sergej Lawrow die USA, aktiv die »Kriegspartei« in Kiew zu unterstützen. Washington würde nicht die Bemühungen um eine politische Konfliktlösung in der Region fördern, sondern sich an der »zunehmenden anti-russischen Rhetorik« beteiligen.
Am Vormittag hatte Lawrow die Bemühungen der Ukraine um eine NATO-Mitgliedschaft als Gefahr für einen möglichen Waffenstillstand und Friedensschluss in der Ostukraine bezeichnet. Kiews Ankündigung, den blockfreien Status der Ukraine zu beenden und nach einem gescheiterten Versuch im Jahr 2008 abermals den NATO-Beitritt anzustreben, komme angesichts der laufenden Vermittlungsbemühungen zur Unzeit: »Das ist ein offensichtlicher Versuch, die Bemühungen zum Beginn eines Dialogs über die Garantie der nationalen Sicherheit zu sabotieren«, wurde Lawrow von russischen Nachrichtenagenturen zitiert.
Beim NATO-Gipfel im walisischen Newport zeichnete denn auch der scheidende NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen eine weltpolitische Lage mit klaren Feindbildern. In einem Atemzug verwies er darauf, dass im Osten Russland die Ukraine angreife und im Südosten die Terrororganisation Islamischer Staat aufsteige. Als Reaktion auf den Ukraine-Konflikt mit Russland will die NATO einen Aktionsplan beschließen, der nicht nur eine deutlich stärkere Präsenz in ihren osteuropäischen Mitgliedstaaten vorsieht, sondern auch den Aufbau einer als »Speerspitze« bezeichneten Eingreiftruppe, die innerhalb von zwei bis drei Tagen kampfbereit sein soll.
Der 7-Punkte-Friedensplan von Präsident Putin war Rasmussen nur einen Konter im Stile eine Ultimatums wert. Russland müsse seine Truppen von der Grenze zur Ukraine abziehen, das Einsickern von Waffen und Kämpfern in das Land stoppen, die Unterstützung von bewaffneten Separatisten einstellen und konstruktive politische Bemühungen für eine Lösung beginnen. Der ukrainische Staatschef traf sich vor dem Gipfel in der von einem Golfplatz umgebenen Hotelanlage »Celtic Manor Resort« mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama, dem britischen Premier David Cameron sowie Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi.
Informationen aus erster Hand dürften ihren Wert haben. Vor dem Gipfel warnte eine Gruppe ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter die deutsche Bundeskanzlerin in einem offenen Brief, auf mögliche Fehlinformationen der Amerikaner über den Ukraine-Konflikt hereinzufallen. »Die Vorwürfe einer großen russischen Invasion in der Ukraine scheinen nicht von vertrauenswürdigen Geheimdienstinformationen gestützt zu werden«, schrieben sieben pensionierte Ex-Regierungs- und Militärmitarbeiter. Die Autoren vergleichen die Vorwürfe des Westens gegen Russland mit der Argumentation der USA vor dem Irak-Krieg 2003. Die von der NATO und den USA veröffentlichten Fotos russischer Truppen und Panzer in der Ukraine könnten falsch sein. Mit Agenturen
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