Weltmeister in der Testphase
Nach dem 2:1 gegen Schottland kündigt Bundestrainer Joachim Löw Veränderungen an
Welch großartigen Fußball die deutsche Nationalmannschaft spielen kann, davon konnte sich Gordon Strachan während der Weltmeisterschaft in Brasilien überzeugen. Für den britischen TV-Sender »ITV« war der schottische Nationaltrainer vor Ort als Experte tätig. Einen besonderen Eindruck hat bei Strachan der 7:1-Halbfinalerfolg gegen Gastgeber Brasilien hinterlassen. So akribisch wie möglich wolle er seine Mannschaft vorbereiten, kündigte er vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland an, »damit uns so etwas nicht passiert«. Fügte aber hinzu: »Garantieren kann ich es aber nicht.« Worte, aus denen der Respekt vor dem Weltmeister nicht zu überhören war.
Auch in den ersten Minuten des Spiels am Sonntagabend in Dortmund, das Deutschland 2:1 gewann, war der Respekt des Gegners nicht zu übersehen. Bis die Schotten zum ersten Mal den Ball berührten, vergingen mehr als drei Minuten. Stattdessen konzentrierten sie sich von Beginn an auf die Verteidigung, in dem sie mit zwei Viererketten die Räume eng machten. Mit dem Ergebnis, dass das DFB-Team zwar mehr Ballbesitz hatte, sich mit dem Herausspielen von Torchancen jedoch schwertat.
Vor allem aus dem zentralen Mittelfeld kamen wenig Impulse nach vorne. Christoph Kramer bemühte sich, ging immer wieder nach vorne und suchte auch gelegentlich den Torabschluss - von Erfolg waren die Aktionen jedoch nicht gekrönt. Ähnlich glücklos agierte Toni Kroos, der neben Kramer im Zentrum spielte. So wie sein Partner, bemühte sich auch Kroos und arbeitete defensiv. Sein gewohntes Passspiel, mit dem er noch während der WM beeindruckte, konnte der Neu-Madrilene gegen Schottland jedoch nicht aufziehen.
Typisch für die ganze Partie, war dann auch die erste Chance der Deutschen. In der sechsten Minuten zog André Schürrle von der linken Seite nach innen und schoss auf das Tor des schottischen Torhüters David Marshall. Vor allem wenn die DFB-Mannschaft über die Flügel kam, wurde es vor dem Gehäuse der Schotten gefährlich. Folgerichtig wurde auch das erste Tor der Deutschen auf dem Flügel vorbereitet. In der 18. Minute flankte Sebastian Rudy von rechts auf Thomas Müller, der sich gegen zwei schottische Abwehrspieler durchsetzte und zum 1:0 köpfte.
Für Sebastian Rudy war es damit zumindest offensiv eine gelungene Premiere auf der Rechtsverteidigerposition, auf der der 24-Jährige zum ersten Mal in seiner Profilaufbahn eingesetzt wurde. »Im Training habe ich Rudy dort eingesetzt, wo er sehr sicher am Ball wirkte«, erklärte Löw nach dem Spiel seine überraschende Entscheidung und fand dabei nicht nur für Rudy lobende Worte. »Ich bin sehr zufrieden mit den Ansätzen, die beide Außenverteidiger zeigten«, sagte der Bundestrainer. Dass mit Rudy und Durm die Lücke aber noch nicht geschlossen ist, die durch den Rücktritt von Lahm auf der Rechtsverteidigerposition entstand und auf der linken Seite schon seit längerer Zeit besteht, weiß auch Löw. »Ich werde in den nächsten Wochen die Spieler, die in ihren Klubs auf der Außenverteidigerposition spielen, intensiv beobachten. Wir werden da bestimmt noch einiges ausprobieren.« Eine Ankündigung, die vor allem die Freiburger Außenverteidiger Christian Günter und Oliver Sorg auf eine baldige Einladung in die Nationalmannschaft hoffen lassen dürfte.
Wie groß das Personalproblem auf diesen Positionen ist, zeigten die Defensivleistungen von Durm und Rudy. Beim 1:1-Ausgleichstreffer der Schotten ließ sich Rudy vom Torschützen Ikechi Anya überlaufen. Erik Durm wiederum agierte teilweise überfordert. In der zweiten Hälfte, als er immer größere Probleme mit seinem Gegenspieler Steven Naismith bekam, konnte er froh sein, dass sein Foul gegen den Schotten nicht als Notbremse gewertet wurde. Das zwischenzeitliche 1:1 jedoch nur auf die beiden Außenverteidiger zurückzuführen, wäre ungerecht. Denn nach dem Seitenwechsel wirkte die gesamte Mannschaft verunsichert, wie kurz nach dem Wiederanpfiff die Chance von Naismith bewies, der mehrere Verteidiger umspielte. Ein Weckruf für die Gäste aus Schottland, die in der 66. Minute verdient ausglichen. »Es war mehr drin. Nach dem 1:1 habe ich wirklich geglaubt, dass wir gewinnen können«, sagte Strachan Abpfiff.
Dies verhinderte jedoch Thomas Müller. Nur vier Minuten nach dem Ausgleich erzielte der Profi von Bayern München nach einer Ecke in einer für ihn typischen Manier den 2:1-Siegtreffer. Ein Erfolg, den die Deutschen über die 90 Minuten brachten, auch wenn es in der Schlussphase noch mal brenzlig wurde.
»Ich bin absolut zufrieden mit den drei Punkten. Wir wussten, dass es nicht leicht wird«, sagte Löw nach dem erfolgreichen Auftakt in die EM-Qualifikation. Für das Qualifikationsspiel gegen Polen in einem Monat kündigte er aber jetzt schon einige Veränderungen an. »Momentan müssen wir improvisieren, da viele Spieler längerfristig ausfallen«, sagte der Bundestrainer. Dazu gehört auch wieder der Dortmunder Marco Reus, der in der Nachspielzeit nach einem Foul ausgewechselt werden musste. Er zog sich im linken Knöchel einen Außenbandteilriss sowie eine Dehnung der Fußwurzelbänder zu und wird mindestens vier Wochen fehlen.
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