Schulden und Arbeitslosigkeit
Südafrikas Wirtschaft liegt am Boden - das Zugpferd Bergbau zieht nicht mehr
Johannesburg. Südafrikas Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Im zweiten Quartal wuchs Afrikas zweitgrößte Volkswirtschaft um magere 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Im ersten Quartal war die Wirtschaftsleistung noch um 0,6 Prozent geschrumpft. Viele Experten hatten daher ein Abgleiten in die Rezession und ein weiteres Ansteigen der hohen Arbeitslosigkeit von rund 25 Prozent befürchtet.
Hauptgrund für die enttäuschende Entwicklung im Land ist die Schwäche des Bergbaus. Dessen Wirtschaftsleistung ging im ersten Quartal um 24,7 Prozent zurück und auch von April bis Juni schrumpfte der für Südafrikas Exporte immens wichtige Bereich um fast zehn Prozent. Hauptverantwortlich dafür ist der im Juli zu Ende gegangene fünfmonatige Streik im Platinbergbau. Schwach ist aber auch die Industrie am Kap. Auch ihre Produktionsleistung sank schon im zweiten Quartal in Folge.
In Südafrika lahmt seit der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 die Entwicklung, anders als in vielen anderen afrikanischen Ländern, die Wachstumsraten von fünf Prozent und mehr verzeichnen. Der entwickeltsten Ökonomie des Kontinentes war es zuvor gelungen, nach den langen Jahren der Stagnation während der Apartheid Wachstumsraten von vier und mehr Prozent zu erzielen. Auch ging vor der Krise die Arbeitslosigkeit leicht zurück. Doch nun scheint Südafrika dauerhaft gegenüber Ländern wie Nigeria oder Äthiopien zurückzufallen.
Die Regierung Südafrikas versucht mittels neuer Infrastrukturprojekte das Wachstum anzuregen. Neben dem Bau neuer Kohlekraftwerke, um die prekäre Stromversorgung zu verbessern, wird auch in den Bau von neuen Krankenhäusern und Universitäten investiert. Kopfzerbrechen machen Experten und der Regierung aber die angespannten Beziehungen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften.
Die Arbeitnehmervertreter fordern Lohnsteigerungen von zehn Prozent und mehr, wie sie etwa im Platinbergbau durchgesetzt werden konnten. Die Unternehmen drohen angesichts dieser Forderungen mit Massenentlassungen und Investitionsstopp. So hatte Anglo Platinum angekündigt, fast alle Minen in Südafrika verkaufen zu wollen. Ein Reuters-Bericht, wonach Lonmin 5700 Arbeitsplätze - 21 Prozent der gesamten Mitarbeiter - in seinen Platinminen abbauen will, haben sich bislang nicht bestätigt.
Die über die Inflation von sechs Prozent weit hinaus gehenden Lohnforderungen der Gewerkschaften haben ihren Grund in den prekären Lebenslagen vieler Arbeitnehmer im Land. Trotz steigender Löhne bleibt kaum etwas zum Leben. Die meisten Beschäftigten müssen viele Familienangehörige mitversorgen, da diese wegen der hohen Arbeitslosigkeit ohne Auskommen sind.
Viele Arbeitnehmer haben sich zudem in den vergangenen Jahren stark verschuldet, um sich und ihre Familien versorgen zu können. Nicht selten bei Kredithaien, die horrende Zinsen von 40 Prozent und mehr für Kurzzeitkredite ohne Sicherheiten verlangen. Aber auch die Bergarbeitergewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) hatte angesichts der hohen Nachfrage ihrer Mitglieder Kredite vergeben.
Viele Arbeitnehmer in Südafrika brauchen dringend mehr Geld in der Tasche und drängen daher die Gewerkschaften, die selbst immer mehr im Wettbewerb miteinander stehen, zu hohen Lohnforderungen. Die hohe Verschuldung vieler Arbeitnehmer ist daher eine tickende Zeitbombe, welche Regierung, Gewerkschaften und Unternehmen schnell entschärfen müssen, wenn es mit der Wirtschaft wieder bergauf gehen soll.
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