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Brandanschlag ging glimpflich aus

Jungnazis dröhnten sich voll, griffen zum flüssigen Brandbeschleuniger und zogen zu einem Ausländerwohnheim

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei junge Männer wurden gestern vom Amtsgericht Tiergarten wegen eines Brandanschlags auf ein Flüchtlingsheim in Köpenick verurteilt. Dabei ging die Anklage nur von Sachbeschädigung aus - nicht von Brandstiftung.

Die Anklage lautete nicht auf Brandstiftung, sondern nur auf Sachbeschädigung. Wohl deshalb, weil der Anschlag auf das Ausländerwohnheim in der Köpenicker Salvador-Allende-Straße so dilettantisch ausgeführt war, dass er – glücklicherweise – unspektakulär endete. Dennis H. (20) und Marvin G. (21) waren am 29. April dieses Jahres kurz vor 23 Uhr zu einem Notausgang des Wohnheimes vorgedrungen, hatten eine Flasche flüssigen Grillanzünder an der Tür ausgeschüttet und dann in Brand gesteckt. Der 20-Jährige legte noch eins drauf und verabschiedete sich nach vollbrachter Heldentat mit dem »Hitlergruß«. Die Flammen erloschen von selbst und richteten nur geringen Schaden an. Zwei Stunden später saßen die Brandstifter schon in Untersuchungshaft. Zeugen hatten sie beobachtet, von ihrem Vordringen auf das Gelände und der Tat selbst gab es Videoaufzeichnungen. Dass sie später in der Nähe der NPD-Zentrale aufgegriffen wurden, war sicherlich Zufall, denn von dort hätten sie zu dieser späten Stunde keine Hilfe erwarten können.

Nun saßen die beiden vor der Amtsrichterin. Zwei Häuflein Unglück, wortkarg, erinnerungsschwach und nicht mit übermäßiger Auffassungsgabe ausgestattet. Ihre Erklärung für die Tat: Wir standen unter Strom und waren nicht mehr Herr unserer Sinne. Mit »Berliner Luft«, einem billigen Pfefferminzlikör, sollen sie sich, zusammen mit zwei anderen Jungen, zugedröhnt haben. Mehr wollen sie nicht zum Besten geben. Und natürlich: Ausländerfeindlich seien sie nicht, sie hätten überhaupt nichts gegen Ausländer. Allerdings war ihnen wohl bewusst, dass es sich bei dem Gebäude um ein Wohnheim mit Flüchtlingen gehandelt habe. Und der »Nazigruß« ist auch nicht unbedingt ein Beleg für Gegnerschaft gegenüber der braunen Szene. Die Richterin sagte es ihnen auf den Kopf zu: »Sie waren es! Punkt!« Fingerabdrücke am Tatort, die Videoaufzeichnung sowie das polizeiliche Geständnis eines Angeklagten waren Beweise genug für eine Verurteilung. Während des Anschlags hatten beide so überzeugend in die Kamera geschaut, dass ein Irrtum ausgeschlossen war.

Die Biografie von Dennis H. – die von Marvin G. dürfte kaum anders sein – ist armselig. Scheidung der Eltern, Schulabbruch, keine abbeschlossene Lehre, Schwimmunfall, Dauergast in Kliniken, keine Wohnung, kein Erfolgserlebnis in seinem jungen Leben. Beide leben von ALG II und sind quasi obdachlos, weil sie kein Vermieter nimmt. Beide stolperten bisher von einer Straftat zu nächsten, Marvin G. könnte durchaus als Intensivtäter eingestuft werden. 13 Eintragungen im Strafregister. G. saß schon 1,5 Jahre im Gefängnis, geläutert hat ihn das nicht. Und es sind immer dieselben Delikte: gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung.

Es stand eigentlich nur die Frage, wie sie zu bestrafen sind. Für die Staatsanwaltschaft eine klare Angelegenheit. Beide haben eine Tat begangen, die zwar glücklich endete. Doch es sei nicht auszudenken, hätte das Feuer in dem bewohnten Gebäude mit Familien und Kindern um sich gegriffen. »So etwas darf sich nicht wiederholen«, begründete der Staatsanwalt seine Strafanträge. Zwei Wochen Dauerarrest und eine Verwarnung für den jüngeren Brandstifter, sechs Monate Freiheitsentzug, der zur Bewährung auszusetzen ist, für den 21-Jährigen.

Die Richterin blieb in ihrem Urteil leicht unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Bei H. bestätigte sie den zweiwöchigen Dauerarrest, bei G. legte sie die Haftstrafe auf vier Monate fest, ausgesetzt zur dreijährigen Bewährung. Noch einmal richtete sie mahnende Worte an die Verurteilten. Es könne nicht sein, dass junge Männer unter Drogen und Alkohol eine solche Tat begingen und das Leben vieler Menschen gefährdeten, die ein schweres Leben hinter sich haben und hier in Deutschland auf Hilfe und solidarischen Beistand hoffen. Sie hätten auch dem Ansehen ihres Landes schweren Schaden zugefügt. Mit hängenden Köpfen verließen die beiden Brandstifter den Gerichtssaal. Wenn sie jetzt nicht fest an die Hand genommen werden, ist die nächste Straftat vorhersehbar.

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