Neue Regeln, neues Spiel
Am Freitag startet die Deutsche Eishockey Liga - und hofft auf mehr Spektakel
Der Eishockeyweltverband IIHF hatte im Frühsommer zwei neue Regeln beschlossen. Die weniger gravierende ist die Modifizierung des unerlaubten Weitschusses. Beim Befreiungsschlag aus der eigenen Hälfte wird nicht mehr sofort abgepfiffen, wenn der Puck die verlängerte Torlinie überquert. Ist jetzt ein Stürmer schneller als ein gegnerischer Verteidiger auf der Höhe der Bullypunkte, geht das Spiel weiter.
Die andere, weitaus entscheidendere Veränderung ist die Vergrößerung der Angriffs- und Verteidigungsflächen um gut drei Meter. Das bedeutet konkret: Die sogenannten blauen Linien, die die neutrale Zone im Mitteldrittel der Eisfläche begrenzen, wurden um jeweils 1,53 Meter in Richtung der Mittellinie verrückt.
Der Modus
In einer Doppelrunde mit insgesamt 52 Spieltagen werden aus den 14 Teams die Playoff-Teilnehmer ermittelt. Die ersten Sechs stehen im Viertelfinale. Die Teams auf den Plätzen sieben bis zehn ermitteln im Modus »best of three« die letzten beiden Viertelfinalisten. Danach geht es wie in der Vorsaison im Modus »best of seven« bis zum Titelgewinn - vier Siege sind notwendig, um eine Runde weiterzukommen und am Ende Meister zu werden.
Die Favoriten
Der ERC Ingolstadt, im April sensationell Meister, hat nicht nur seinen Trainer Niklas Sundblad, sondern auch zahlreiche Leistungsträger verloren. Erste Anwärter auf den Titel sind daher andere: Vizemeister Kölner Haie mit Ex-Bundestrainer Uwe Krupp hat sich nach zwei Finalniederlagen in Folge noch einmal verstärkt - unter anderem mit dem ehemaligen NHL-Profi Alexander Sulzer. Die Adler Mannheim haben im NHL-erfahrenen neuen Coach Geoff Ward den wichtigsten Neuzugang. Die Hamburg Freezers, im Vorjahr Vorrundensieger, sind bis auf den Abgang von David Wolf zusammen geblieben. Auch DEL-Rekordmeister Eisbären Berlin und Etatkrösus Red Bull München mit dem Berliner Meistertrainer Don Jackson und Nationalmannschaftstorjäger Michael Wolf zählen zu den Favoriten.
Die neuen Stars
Alexander Sulzer kehrte nach sieben Jahren in Nordamerika zurück. Mit 30 Jahren ist der Verteidiger, der für Nashville, Florida, Vancouver und Buffalo insgesamt 131 Spiele in der National Hockey League bestritt, im besten Eishockeyalter. Der Nationalspieler soll Köln endlich zum neunten Meistertitel verhelfen. Zehn Jahre älter ist Glen Metropolit. Der Mannheimer Neuzugang hat 437 NHL-Spiele auf dem Buckel und spielte zuletzt vier Jahre in der Schweiz. Zwei Weltmeister stehen im Tor: der Finne Petri Vehanen in Berlin als Nachfolger des in die NHL gewechselten Nationaltorwarts Rob Zepp und der Kanadier Chris Mason in Augsburg.
Die Kosten
Erstmals haben die 14 Klubs bei ihren Ausgaben die Schallmauer von 100 Millionen geknackt. München ist mit einem geschätzten Etat von zwölf Millionen Euro Ligakrösus. Schwenningen, Augsburg und Straubing haben weniger als fünf Millionen veranschlagt. Die teuersten Tickets gibt es in Nürnberg, wo ein Haupttribünenplatz 54 Euro kostet.
Die Übertragung
Wie in der Vorsaison überträgt Servus TV sonntags ab 17.45 Uhr ein Spiel live. Mit Start der Playoffs gibt es von jedem Spieltag Livebilder. Freitags zeigt LAOLA1.tv ein Spiel ab 19.30 Uhr per Livestream im Internet. SID/nd
Trainer Jeff Tomlinson vom DEL-Rekordmeister Eisbären Berlin, der mit seinem Team erstmals seit 2010 nicht die Rolle als Titelverteidiger einnimmt, begeistern die Veränderungen: »Die Vergrößerung des Angriffsdrittels wird das Eishockey attraktiver machen, auch wenn es anfangs bei Spielern und Fans durchaus Probleme geben wird. Nach meinen ersten Eindrücken wird sich das Spiel entscheidend verändern. Es gibt mehr Raum für den Angriff und damit mehr Chancen.« Nun seien vor allem laufstarke Spieler gefragt. Aber der Coach warnt auch: »Wenn du mehr Platz hast, hast du auch mehr Zeit, was die Spieler dazu verleiten könnte, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen. Das wäre Gift fürs Eishockey. Wir bevorzugen das Tempospiel.«
Am weitreichendsten dürften die Folgen der verschobenen blauen Linien für das Über- und Unterzahlspiel sein. Denn bei einem oder sogar mehreren Spielern weniger auf dem Eis stehen die verbleibenden Akteure der verteidigenden Mannschaft vor besonderen Herausforderungen an Laufbereitschaft. »Gleichzeitig haben die Spieler in Überzahl künftig noch mehr Optionen. Es wird sehr viel mehr Schüsse aufs gegnerische Tor geben«, prophezeit Tomlinson. »Wir trainieren unter den neuen Bedingungen schon seit Wochen im Wellblechpalast und sind dabei, unsere Spielweise der neuen Regelung anzupassen. Das funktioniert ja nicht von heute auf morgen.«
Nicht ganz so euphorisch sieht Eisbären-Angreifer und Kapitän André Rankel die neue Situation: »Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Natürlich haben die Stürmer künftig mehr Platz und Zeit für ihre Angriffsaktionen. Aber man wird aufpassen müssen, dass das Spiel nicht verlangsamt wird. Und in Unterzahl kommt ein ganz schöner Hammer auf die verteidigende Mannschaft zu. Es ist irgendwie eine Reise ins Ungewisse.«
Eine Reise ins Ungewisse - das gilt besonders für die letzte Saison mit dem schnellen Aus in den Pre-Playoffs so enttäuschenden Berliner Eisbären. Coach Tomlinson ist vor dem heutigen Auftaktmatch bei den Augsburger Panther gewohnt optimistisch: »Ich sehe uns als eine Spitzenmannschaft, die auf viele junge Talente setzt. Auf einen Platz will ich mich aber nicht festlegen.«
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