Es grünt so rot

Die brandenburgischen Grünen ziehen aus den Einbußen der Sozialisten keinen Vorteil

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Mitgliederzahl nahm stetig zu und erreichte jetzt die Tausendermarke. Aber die Umfragewerte der märkischen Grünen stagnieren.

Mit dem 17-jährigen Alexander Lehmann aus Märkisch-Oderland konnten die Grünen am Mittwoch das 1000. Parteimitglied im Landesverband begrüßen. Damit bleiben die Grünen zwar die kleinste unter den fünf großen Parteien in Brandenburg. Sie wachsen aber, und dies seit Jahren. Das ist bemerkenswert, weil es gegen den Trend geschieht. Gewöhnlich verlieren die etablierten Parteien Mitglieder. Auch in Brandenburg ist das so.

Nach den letzten verfügbaren Zahlen vom Amt für Statistik für das Jahr 2012 hatte die LINKE in Brandenburg 7360 Mitglieder, die CDU 6359, die SPD 6197 und die FDP 1341. Damals gab es 933 Grüne. Im Vergleich zu 2009 verzeichnete die LINKE ein Mitgliederminus von 17,7 Prozent (CDU -5,6 Prozent, SPD -2,2, FDP -7). Nur die Ökopartei wächst stetig.

»Jetzt haben wir die Tausendermarke geknackt«, freut sich Landtagsfraktionschef Axel Vogel. »Der kontinuierliche Mitgliederzuwachs bestätigt uns darin, Menschen echte Mitbestimmung innerhalb unserer Partei zu ermöglichen. Vorstandssitzungen stehen allen offen, und bei uns Grünen muss niemand erst durch die Partei-Kaderschule gehen, bevor es eine Chance auf ein politisches Amt gibt.«

2009 gab es erst 776 Grüne in Brandenburg. »Grün im Aufwind«, meldet Pressereferent Simon Zunk nun. Das schlägt sich allerdings nicht in der Wählergunst nieder. Da stagniert die Ökopartei, die 2009 bei der Landtagswahl 5,7 Prozent erzielt hatte. In den jüngsten Umfragen wurde sie bei sechs Prozent gesehen. Das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde bei der Landtagswahl ist wahrscheinlich. Das Polster ist jedoch keineswegs so dick, dass den Grünen nicht bange sein muss. Das Wahlziel, gestärkt ins Parlament zu gelangen, also mit mindestens einem Abgeordneten mehr, wird nicht so leicht zu erreichen sein. Dabei gäbe es Gefilde, in denen die Grünen wildern könnten. Die LINKE liegt schließlich sechs Prozent hinter ihrem Landtagswahlergebnis von 2009 zurück. Traditionell stehen Führungspersönlichkeiten und zahlreiche Mitglieder der Umweltverbände in Brandenburg den Sozialisten nahe oder sie sind sogar in der LINKEN organisiert. Als aber im Juni alle Minister des rot-roten Kabinetts den Weg für den Tagebau Welzow-Süd II ebneten, sorgte dies in der Naturschutzszene für Proteste und Verbitterung. Die Glaubwürdigkeit der Linkspartei, die eigentlich für einen Ausstieg aus der Braunkohle bis 2040 plädiert, hat gelitten.

Doch es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Grünen daraus einen Vorteil ziehen, obwohl sie sich darum bemühen. Auch wenn einzelne Mitglieder wegen der Tagebauentscheidung aus der LINKEN ausgetreten sind - die Naturschutzszene neigt nach wie vor eher zu den Sozialisten, denn zu den Grünen. Einer, der das Klimacamp im Lausitzdorf Kerkwitz mit organisierte, beschreibt sein eigenes und das Verhältnis vieler anderer Klimaschützer zur Linkspartei inzwischen als eine Art »Hassliebe«. Das bedeutet immerhin, dass ein gewisses Maß an Zuneigung noch vorhanden ist. Dagegen wird den Grünen bis heute nicht verziehen, dass sie 1999 in der rot-grünen Bundesregierung mitverantwortlich waren für die Beteiligung der Bundeswehr am Nato-Angriff auf Jugoslawien und 2004 für die Einführung von Hartz IV. Die scharfmacherischen Äußerungen grüner Bundespolitiker im aktuellen Ukraine-Konflikt waren auch nicht gerade geeignet, solche negativen Erinnerungen zu verwischen.

Neben diesen selbstverschuldeten Schwierigkeiten leiden die Grünen unter einer Sache, auf die sie keinen Einfluss haben. Nach dem Erfolg der Alternative für Deutschland (AfD) bei der Landtagswahl vor zwei Wochen in Sachsen geben sich Journalisten bei dem brandenburgischen AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland die Klinke in die Hand. Ansonsten wird viel weniger über den Landtagswahlkampf berichtet als dies in früheren Jahren der Fall war. Die Grünen werden da jetzt nur noch gelegentlich mit dem Nebensatz bedacht, dass ihr Einzug ins Parlament nicht sicher sei. Für die Wiedergabe von Inhalten wird ihnen kein Platz eingeräumt. So ist Azubi Lehmann im Moment nur ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft - mehr nicht.

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