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Mit Familie Schmidt im Biergarten

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute nach Feierabend, zwischen der Freitags- und Sonnabendschicht, mache ich mich schick für den Biergarten, als wäre ich aus der Zeit gefallen; um in den Friedrichshain zu spazieren, dorthin, wo er so schön ruhig ist wie mein Prenzlauer Berg - zumindest vor dem Einbruch der Dunkelheit. Ich werde pünktlich draußen sitzen, unter einer Baumkrone. Vielleicht nieseln mir Regentröpfchen ins Bierglas und auf die Glatze. Gut so. Ich bin so jung, wie ich mich kühle. Immerhin haben wir schon September, keinen Mai; jetzt tropft nicht die klebrige Substanz der Linde auf die Unterwelt.

Zu vorgerückter Stunde werde ich in den überdachten Teil vom Lokal schlendern, um den ersten von zwei Wochenendauftritten der familienfreundlichen Kapelle zu besuchen, die seit 20 Jahren existiert und nun ihr Jubiläum feiert: die Schmidts aus Berlin. Nicht die aus Manchester, welche es nur auf fünf Jährchen brachten und deren Sprache ich nicht sonderlich mächtig bin. Unsere Schmidts, diese vier teils vorlauten Jungs, die kenne ich vom Gefühl her seit einer Ewigkeit, eigentlich schon bevor sie als Kapelle namens Goyko Schmidt ihre Lieder fabrizierten.

Als Kinder traten wir uns gegen die Schienbeine, bilde ich mir ein, als Erwachsene kugelten wir uns die Arme aus. Nun sind wir alte Rock ’n’ Roll-Köter und immer noch so cool wie unsere HipHop-Kinder. Unser Tanz ums Feuer wurde nicht während der Armeejahre oder mit dem Standesamtsstündchen beendet. Oi! Es ist wohl zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte so, dass viele einst Halbstarke ihre Pubertätskapriolen als Lebensplan durchziehen.

Goyko Schmidt. Der Trommler der Gruppe gehört zu den wenigen Menschen, gegen die ich im Armdrücken verloren habe. Der Schreihals darf als Rugby-Alpha-Männlein gelten. Und der Bassist als wohl Geheimnisvollster unter den Bassisten, während der Gitarrist und Texter zum Dichteradel gezählt werden muss. Geheimnisvolle Goykos, humorvolle Schmidts. Vielleicht gibt es Bockwurst gratis, wie zum zehnjährigen Jubiläum und zu den Veröffentlichungsfeiern ihrer fünf Schallplatten. Bockwurst gratis, frei nach der knorke Biergartentradition: »Hier können Familien Kaffee kochen«, oder in Anlehnung an den alten Aschinger, bei dem es die Schrippen umsonst gab.

Die Bockwurst ist das Symbol des wahr gewordenen Vereinigungswunsches von Schreiberlingen und Skinheads, von Poeten und Punks. Zumindest im Goyko-Kosmos, vor allem zum Gruppengeburtstag, zu dem eine Ehrerweisungs-LP veröffentlicht wird, auf der viele Gruppen einige Goyko-Lieder nachspielen; zum Beispiel die Freibierideologen und Sperrzone, die am Freitag beziehungsweise Sonnabend das Vorprogramm der Schmidts bestreiten. Ich fühle ihn, den Ureinwohner-Blues, und am Sonntag habe ich einen Schädel.

Konzerte am 12. und 13.9., jeweils ab 19 Uhr, in der Jägerklause, Grünberger Str. 1, Friedrichshain

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