Kirche macht Flüchtlingspolitik

Diskussionsrunde mit Asylsuchenden / Bezirk zieht Konsequenzen an Kreuzberger Schule

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Flüchtlingszahlen steigen weiter. Wie Berlin mit ihnen umgeht, darüber streiten Senat und Opposition nach wie vor.

1100 Erstaufnahmeanträge von Asylsuchenden seien allein im August gestellt worden, sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Der Senat rechne damit, dass bis Jahresende rund 5000 weitere Flüchtlinge in die Hauptstadt kommen. Diese Zahlen basierten laut Czaja auf einer am Donnerstag veröffentlichten Schätzung des Bundesamtes für Migration. Die Behörde gehe davon aus, dass von September bis Dezember jeden Monat 25 000 Flüchtlinge nach Deutschland kämen. Auf Berlin entfielen damit monatlich 1250 Menschen - deutlich mehr als noch zu Jahresbeginn prognostiziert.

Nachdem Anfang September das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) die zentrale Aufnahmestelle für Asylsuchende u.a. wegen Überlastung seiner Mitarbeiter vorübergehend dicht machte und der Protest der Flüchtlinge zwischen Oranienplatz und Gerhart-Hauptmann-Schule andauert, war die Situation der Asylsuchenden in Berlin erneut Thema im Abgeordnetenhaus.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wies dabei Vorwürfe der Opposition, die Vereinbarungen des ›Einigungspapier Oranienplatz‹ nicht ernst zu nehmen, zurück. Er erklärte, dass Berlin allein die Lage der Flüchtlinge nicht verbessern könne. Udo Wolf (Linkspartei) erinnerte Wowereit an dessen Regierungserklärung und warf ihm vor, sich auf Bundesebene nicht wie beteuert für die Belange der Flüchtlinge eingesetzt zu haben. »Das Flüchtlingsproblem wird sich nicht in Luft auflösen und Menschen, die hier in Berlin vom Senat auf die Straße gesetzt werden, werden weiter für ihre Rechte eintreten«, sagte der flüchtlingspolitische Sprecher der Piratenfraktion, Fabio Reinhardt. »Deshalb muss der Senat seine Blockadehaltung aufgeben, seinen Pflichten nachkommen und die Gespräche wieder aufnehmen. Die Veranstaltung war nur der Anfang eines Dialogs zwischen Geflüchteten und Politik.«

Am Mittwochabend hatten sich in der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg mehrere hundert Menschen getroffen, um über die Situation der geflüchteten Menschen in Berlin zu diskutieren. Neben Vertretern der Oppositionsparteien stellten sich Peter Marhofer (Senatsinnenverwaltung) und Monika Lüke (Integrationsbeauftragte des Landes Berlin) dem Dialog. »Die Kirche versucht in einen Dialog mit den Geflüchteten zu kommen, um eine politische Lösung zu finden«, so Reinhardt. »Damit übernimmt sie Aufgaben, die man eigentlich vom Senat erwartet. Der Senat hat bislang vollends in der Berliner Flüchtlingspolitik versagt und beweist keinen politischen Willen, seinen eigenen Zusagen aus dem ›Einigungspapier Oranienplatz‹ nachzukommen.«

In der lange von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmannschule kam es Anfang der Woche zu einem Zwischenfall. Wie das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mitteilte, habe eine Gruppe von etwa 30 Bewohnern des Hauses damit gedroht, sich gewaltsam Zugang zum derzeit gesperrten Pavillon auf dem Gelände des Grundstücks zu verschaffen. Dabei seien Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bedroht worden. Über weitere Konsequenzen in diesem Zusammenhang habe das Bezirksamt diskutiert und eine Entscheidung getroffen: Sollte es erneut zu derartigen Vorfällen kommen, werde gegen die Betroffenen Strafanzeige erstattet. Die Bewohnerinnen und Bewohner seien bereits über das Ergebnis dieser Beratung informiert worden.

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