Thüringer Grüne: Wir entscheiden allein
Landeschefin Erben verwundert über Äußerung von Özdemir / Bundeschef warnt: Rot-Rot-Grün dürfe »nicht gleich aus der ersten Kurve fliegen«
Berlin. Bei den Grünen sind Unstimmigkeiten über ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis in Thüringen deutlich geworden. Die Landessprecherin Stephanie Erben reagierte in der Berliner Tageszeitung »Welt« verwundert auf Bundesparteichef Cem Özdemir, der zuvor Vorbehalte gegen eine Koalition mit Linken und SPD hatte erkennen lassen. »Die Entscheidung fällt in Thüringen«, stellte Erben klar. »Wir werden das in Thüringen verhandeln, besprechen und beschließen.« Zuvor hatte Özdemir in der »Welt am Sonntag« gesagt, Thüringen brauche eine »stabile, belastbare Regierung«. Eine rot-rot-grüne Koalition dürfe »nicht gleich aus der ersten Kurve fliegen«. Eine solche Regierung unter einem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow hätte ebenso wie eine schwarz-rote Koalition unter der amtierenden Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) nur ein Stimme Mehrheit im Erfurter Landtag.
Deshalb wird auch die Möglichkeit diskutiert, dass die Grünen gemeinsam mit CDU und SPD regieren, um dadurch eine breitere Mehrheit zusammenzubekommen. »Wir schließen nichts von vornherein aus und sprechen auch mit CDU und SPD«, sagte Özdemir dazu. Linke, SPD und Grüne hatten sich am Donnerstag zu einem ersten Sondierungsgespräch getroffen, ein weiteres soll in den kommenden Tagen stattfinden. Am Montag wollen sich aber zunächst Thüringens CDU und SPD erstmals treffen, um die Chancen für eine Koalition zu prüfen.
Der Landeschef der Thüringer Grünen, Dieter Lauinger, steht einem möglichen schwarz-rot-grünen Bündnis allerdings skeptisch gegenüber. Vor einem für Montagabend geplanten Gespräch mit der CDU sagte Lauinger der Nachrichtenagentur dpa, er könne sich nur schwer vorstellen, dass es wichtige Argumente für diese Lösung gebe. »Es müssen andere Argumente sein, als die, dass sich die potenziellen Koalitionspartner nicht über den Weg trauen.« Die Grünen würden sich jedoch zunächst anhören, was die Union zu sagen habe, und dann darüber entscheiden.
Die Haltung seiner Partei habe sich nicht geändert, sagte Lauinger. Sie sehe keinen Sinn in einer Konstellation, in der sie rechnerisch nicht gebraucht werde. Bei einer Fortsetzung der bisherigen schwarz-roten Regierung hätten die Parteien eine Mehrheit von einer Stimme. Auch ein Bündnis aus Linkspartei, SPD und Grünen käme auf diese hauchdünne Mehrheit. Für Lauinger genießt dieses Bündnis Vorrang. »Wir haben immer gesagt, dass wir die CDU ablösen und einen Politikwechsel wollen. Aus unserer Sicht gibt es dafür eine Mehrheit«
Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) äußerte ähnliche Argumente für ein schwarz-rot-grünes Bündnis. Sie akzeptiere vollkommen, dass die Grünen sagen, sie seien kein Ersatzreifen, sagte die Unionschefin dem in Suhl erscheinenden »Freien Wort«. »Aber es kann die Situation eintreten, in dem es eben nicht um einen Ersatzreifen geht, sondern um eine substanzielle, ja existenzielle Beteiligung an einer Koalition.« Agenturen/nd
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