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»Sonst wäre alles umsonst«
Die Sozialisten sind an einer Fortsetzung der rot-roten Koalition interessiert
Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierungskoalition zählen zu den Hochphasen der journalistischen Kaffeesatzleserei. Da werden nach jedem Treffen die eigentlich nichtssagenden Äußerungen der Politiker darauf abgeklopft, was sie bedeuten könnten. Der Gesichtsausdruck der Gesprächspartner wird gedeutet, um herauszufinden, welche politische Farbvariante herauskommt. Darauf werden dann manchmal auch Wetten abgeschlossen.
Zu den Wetten, die von Journalisten abgeschlossen werden, gehört auch die, wann der Landesvorsitzende und Finanzminister Christian Görke und andere führende Köpfe Konsequenzen aus der Wahlniederlage vom 14. September ziehen und von allen ihren Ämtern zurücktreten. Da es am Wahlabend nicht geschah, sollte es angeblich am folgenden Montag soweit sein - und dann hieß es, aber in drei Wochen werde es bestimmt geschehen.
Dabei gab es in Parteikreisen bislang keine Rücktrittforderungen und auch keine Ansichten, dass einer oder einige allein für die Wahlniederlage verantwortlich seien. Ein in der »taz« am Wochenende erschienenes Interview der früheren Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser wurde jetzt so interpretiert, dass sie den kompletten Amtsverzicht von Görke verlange und ja wohl eine Fortsetzung der rot-roten Koalition torpedieren wolle.
»Ich bin dafür, dass solide verhandelt wird«, stellte Kaiser am Montag klar. Die rot-rote Koalition solle da weitermachen, wo sie Erfolge erreichte. »Es wäre sonst alles umsonst gewesen«, meinte Kaiser. Ihr Interview sei nicht als Angriff auf Görke zu verstehen. Ihr gehe es darum, dass er ein sehr guter Minister bleibe und perspektivisch von der Aufgabe des Landesvorsitzenden entlastet werde. Aber letzteres nicht in den nächsten paar Tagen.
Bereits in dem taz-Interview hatte Kaiser den Schwerpunkt darauf gelegt, dass zunächst gründlich die Wahlschlappe ausgewertet werden müsse. »Wir brauchen jetzt den öffentlichen Dialog über die Gründe der Niederlage«, erklärte sie. »Wie es dann personell weitergeht, ist offen.« Aber Regierung, Partei und Fraktion seien von außen »nicht mehr voneinander zu unterscheiden«. Hier wünschte sich Kaiser, dass »Vermischungen und Verknotungen der Verantwortungen« aufgelöst werden.
Nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, die Ursachen der Wahlniederlage endlich ehrlich analysieren, dazu rät Dagmar Enkelmann, die vor Kerstin Kaiser Linksfraktionschefin gewesen ist.
Via Facebook reagierte Teltow-Flämings Landrätin Kornelia Wehlan (LINKE) auf das Interview mit Kerstin Kaiser. »Vor der Wahl haben wir die Kräfte gebündelt, wie übrigens andere Landesverbände der LINKEN auch«, schrieb Wehlan, die zur vierköpfigen Sondierungsgruppe der Linkspartei gehört. »Perspektivisch ist Verantwortung auf mehr Schultern zu geben - vor allem aus einem Grund: erfolgreicher Generationswechsel muss fortgeführt werden«, erklärte Wehlan. »Stine, wir kommen ja nun doch langsam in die Jahre...«
Kerstin Kaiser erwiderte: »Ja, keine Frage, in die besten Jahre.« Und sie wünschte: »Toitoitoi für die Sondierung.«
SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz verriet am Montag, sie habe mit der Landtagsabgeordneten Kaiser telefoniert. Dabei habe ihr diese versichert, dass sie für eine Fortsetzung der rot-roten Koalition sei und ihre Äußerungen nur als »innerparteilicher Debattenbeitrag« zu betrachten seien. Geywitz nannte den Ausgang der Sondierungen weiter »offen«. Ihr zufolge könnten schon am Wochenende Koalitionsverhandlungen beginnen. Deren Dauer sei noch unklar, aber mit der Linkspartei würde es wohl schneller gehen, weil diese aus der Regierung komme, schätzte Geywitz ein.
Mit wem sie nun Koalitionsverhandlungen aufnehmen, wollen die Sozialdemokraten am Dienstag nach einem zweiten Treffen mit der CDU-Verhandlungsgruppe entscheiden. Nichts deutet gegenwärtig zielsicher darauf hin, welchen Entschluss die SPD fassen wird.
Fest steht nur: Im rot-roten Kabinett herrschte in den vergangenen fünf Jahren insgesamt eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Das verlautete immer wieder. Sehr freundschaftlich und gelöst soll es auch bei einem gemeinsamen Mittagessen in der vergangenen Woche zugegangen sein. Das will aber nicht unbedingt etwas heißen, obwohl persönliche Dinge in der Politik durchaus eine Rolle spielen. Als entscheidendes Kriterium hat die SPD Stabilität genannt. Versprechen sieben Stimmen Mehrheit im Landtag bei einem Bündnis mit der CDU wirklich mehr Stabilität als eine Mehrheit von drei Stimmen mit der Linkspartei? Ist mit Stabilität nur der Stimmenvorsprung gemeint und nicht vielmehr, dass Kurs gehalten wird? Ob ein Michael Schierack als Finanzminister darauf achten würde, dass der Landeshaushalt nicht aus dem Ruder läuft, anstatt die teuren Wahlversprechen der CDU finanzieren zu wollen? Genau danach fragte Ministerpräsident Woidke den CDU-Landesvorsitzenden Schierack bei einer Fernsehdiskussion kurz vor der Wahl. Damals erhielt er keine befriedigende Antwort.
In der Führungsspitze der Linkspartei herrschte in den letzten Tagen eine spürbare Nervosität. Was könnte die SPD auf welche Weise verstehen und vor allem missverstehen? Ist die junge Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré (LINKE) allein deshalb eine unsichere Kantonistin, weil sie fünf aus dem Jugendwahlprogramm der Linksjugend solid bereits bekannte Wünsche noch einmal in einem nd-Interview aufzählte? Dabei wurde übersehen, dass Vandré selbst gleich einschränkte, sie könne keineswegs vorhersagen, dass sie Rot-Rot ablehnen würde, falls diese fünf Wünsche nicht erfüllt werden.
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