Washington: Syrien von USA nicht vorab über Luftangriffe unterrichtet
USA und Verbündete setzen Luftangriffe in Syrien fort / Stellungen der Dschihadisten-Gruppe Chorasan bombardiert / NGO: Mindestens 120 Dschihadisten getötet
Washington. Über die Luftangriffe auf mutmaßliche Stellungen der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien hat Washington die syrische Führung nach eigenen Angaben nicht vorab unterrichtet. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, erklärte am Dienstag, Damaskus sei »nicht um Erlaubnis gefragt« worden. »Unsere Aktionen waren nicht mit der syrischen Regierung koordiniert. Wir haben den Syrern im Voraus keine Mitteilung auf militärischer Ebene gegeben, auch keinen Hinweis über den zeitlichen Ablauf bei bestimmten Zielen«, fügte Psaki hinzu.
Der syrische Außenminister Walid Muallim hatte zuvor mitgeteilt, Damaskus habe vor den am Dienstag erfolgten Angriffen über den Irak eine Botschaft von US-Außenminister John Kerry erhalten. Syrien beharrte zugleich darauf, dass die syrische Souveränität gewahrt und das Völkerrecht eingehalten werden müssten.
Bei den Angriffen mit Kampfjets, Bombern und Tomahawk-Raketen im Norden und Osten Syriens wurden nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation (NGO) mindestens 120 Dschihadisten getötet. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mitteilte, sind unter den Toten 70 Mitglieder des Islamischen Staats und 50 von Al-Kaida. Außerdem wurden demnach 300 IS-Mitglieder verletzt, hundert von ihnen schwer. Diese wurden den Angaben zufolge in den Irak gebracht.
Syrische Menschenrechtler haben am Dienstagmorgen mehrere »nichtsyrische« Luftschläge auf Stellungen des IS in der nordsyrischen Stadt Al-Rakka bestätigt. Flugzeuge hätten in der Nacht zum Dienstag mehrere Ziele in Al-Rakka sowie der Umgebung der Stadt angegriffen, meldete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Großbritannien. Zuvor hätten Aufklärungsflugzeuge das Gebiet überflogen.
Bewohner der Stadt Al-Rakka im Nordosten des Landes berichteten auf Twitter von schweren Explosionen und wiederholten Überflügen von Militärflugzeugen. Al-Rakka ist eine Hochburg der selbst ernannten Dschihadisten. Auch CNN berichtete, dass Ziele in Al-Rakka attackiert worden seien. Mit von See aus abgeschossenen Tomahawk-Marschflugkörpern habe der Angriff begonnen und sei dann mit Flugzeugen fortgesetzt worden, sagte ein hochrangiger Angehöriger des Militärs dem Sender.
Im Alleingang nahmen die USA zugleich auch die Dschihadisten-Gruppe Chorasan ins Visier, um deren »drohende Anschlagspläne« gegen Amerika und Europa zu stoppen: Trainingslager, eine Produktionsstätte für Waffen und Sprengstoff und ein Kommandozentrum wurden bei acht Schlägen unter anderem bombardiert. Dieser Teil der Attacken und die Hinweise auf mögliche Terrorattacken kam überraschend: Die erst im vergangenen Jahr gegründeten Miliz sei ein »Netzwerk erfahrener Al-Kaida-Veteranen«, hieß es vom Pentagon. Sprecher John Kirby sprach am Dienstag von »sehr, sehr effektiven« Angriffen.
Die Entscheidung für die Angriffe sei von US-Präsident Barack Obama als Oberbefehlshaber der Streitkräfte gekommen. Dieser habe den Kommandeur des US-Zentralkommandos in Tampa (Florida) autorisiert, die Angriffe in Syrien zu beginnen. Obama hatte seinen Entschluss, die Anfang August begonnenen Luftangriffe im Irak auf das benachbarte Syrien auszuweiten, vor zwei Wochen in einer Rede an die Nation verkündet. Im Irak kommen die USA auf mindestens 190 Luftschläge. Erst am Montag griff das US-Militär dort mit einem Mix aus bemannten und unbemannten Flugzeugen IS-Stellungen an und zerstörte westlich von Kirkuk einen Panzer und drei Fahrzeuge.
Bei ihren Angriffen haben die USA erstmals F-22 »Raptor« Kampfflugzeuge eingesetzt. Das sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums am Montagabend (Ortszeit) dem US-Sender ABC. Der Jagdflieger hat Tarnkappeneigenschaften und ist noch nicht kampferprobt. Die F-22-Jets gelten als die teuersten und modernsten Jagdflugzeuge der US-Luftwaffe. Ein Flugzeug kostet etwa 189 Millionen Dollar (147 Millionen Euro). Seit April 2008 hat die US-Luftwaffe immer wieder Probleme mit dem Sauerstoffsystem in den Jets. So musste die gesamte F-22-Flotte 2011 vorübergehend am Boden bleiben, weil Piloten über Symptome von Sauerstoffmangel klagten.Agenturen/nd
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