- Brandenburg
- Brandenburg
Plötzlich ist die CDU der Verlierer
Koalitionsverhandlungen von SPD und LINKE sollen am Sonnabend beginnen
Das Jahr über hatte der LINKE-Landesvorsitzende Christian Görke überhaupt keine Bange, dass die rot-rote Koalition nicht fortgesetzt werden könnte. Nachdem die LINKE bei der Landtagswahl am 14. September von 27,2 auf 18,6 Prozent abstürzte, sah die Welt plötzlich ganz anders aus. Görke schätzte die Chance, dass Rot-Rot mit einer Parlamentsmehrheit von nur noch drei Stimmen Bestand hat, bloß als »Fifty-fifty« ein.
Doch am Dienstagabend entschied der SPD-Landesvorstand einstimmig, der Linkspartei und nicht der CDU Koalitionsverhandlungen anzubieten. Bereits am Sonnabend sollen die Verhandlungen beginnen.
Berliner Morgenpost
Schade
Nun also doch wieder Rot-Rot in Brandenburg. Schade. Ministerpräsident Dietmar Woidke hat Koalitionsverhandlungen mit der CDU eine Absage erteilt - und damit die Chance auf einen Neuanfang für das Land vertan. Mit der Entscheidung für ein rot-schwarzes Bündnis hätte er sich gegenüber seinem Vorgänger emanzipieren können. Zumal Dietmar Woidke vor fünf Jahren noch zu den Skeptikern des von Matthias Platzeck geschmiedeten, hochumstrittenen Bündnisses mit der stasibelasteten LINKEN zählte.
Märkische Allgemeine
Gute Erfahrungen
Ganz so überraschend kommt dieses Votum nicht. Schließlich hat Woidke gute Erfahrungen mit den LINKEN in der Regierung gesammelt.
Tagesspiegel
Sandiger Sonderweg
SPD-Ministerpräsidenten halten die LINKE kurz, indem sie sie mitmachen lassen. Damit riskieren sie aber, das andere, bürgerliche Lager zu stärken. Dass die CDU in Brandenburg zugelegt hatte, lag eben nicht allein an dem Eindruck von Politikfähigkeit und Geschlossenheit, den sie mitsamt ihrem neuen Frontmann Michael Schierack vermitteln konnte. Es liegt eben auch daran, dass Brandenburg mit seinem florierenden Berliner Umland bürgerlicher geworden ist. Die sandigen Sonderwege der Vergangenheit sind längst nicht mehr gefragt.
Lausitzer Rundschau
Keine frische Brise
Eine frische Brise hätte Brandenburg womöglich gut getan. Eine neue Farbe in der Regierung. Doch es kommt wohl anders.
Berliner Zeitung
Nicht einfacher zu handhaben
Ein geschrumpfter Juniorpartner dürfte nicht einfacher zu handhaben sein. Die LINKE wird von der SPD Zugeständnisse verlangen, um sich mit eigenen Themen zu profilieren, wenn sie nicht weiter von den Wählern abgestraft werden will.
Vorher musste die LINKE die Einladung noch annehmen. Das sollte am Mittwochabend nach Redaktionsschluss geschehen. Landesvorstand und Landesausschuss wollten sich dazu in einer Potsdamer Schule treffen, um über die Ergebnisse der zwei Sondierungsrunden mit der SPD informiert zu werden und einen Beschluss zu fassen. Dass mit der SPD über Bildung, Energiepolitik und den Personalbedarf geredet wurde, war bereits bekannt, nicht jedoch die Details. Der Platz in der Landesgeschäftsstelle in der Alleestraße hätte für die Zusammenkunft nicht ausgereicht. Schließlich waren auch die Kreisvorsitzenden und alle anderen Genossen eingeladen, die sich dafür interessieren. Am Mittwochmorgen lagen 70 Anmeldungen vor.
»Die Entscheidung der SPD eröffnet die Chance, Brandenburg weiter voran zu bringen«, erklärte Görke. Es gebe viele Gemeinsamkeiten, sagte er. »Jetzt liegen ernsthafte Verhandlungen und gewaltige Herausforderungen vor uns.«
Seine Genossen wünschen viel Glück. »Macht was draus, dann sind wir in knapp fünf Jahren wieder bei mindestens 25 Prozent«, lautet eine der Reaktionen. »Jetzt ist bestimmt mehr drin«, hofft ein Genosse. Aber es ist auch eine Warnung zu lesen: »Nicht abheben, kümmert Euch um die Alltagssorgen vor Ort.«
Vor einer Regierungsbildung steht ein Mitgliederentscheid über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Dieser Mitgliederentscheid ist durch einen Parteitagsbeschluss vom Januar 2014 vorgegeben. 2009 war der Koalitionsvertrag nur von Delegierten abgesegnet worden.
»Überrascht vom Wagemut von SPD und LINKE«, zeigte sich Grünen-Fraktionschef Axel Vogel, der das jedoch ausdrücklich begrüßte. Wagemutig sei die SPD, weil der Koalitionsvertrag am Ende am Mitgliederentscheid der LINKE-Basis scheitern könnte. Wagemutig sei auch die LINKE, die aus einer Position der Schwäche heraus in die Koalitionsverhandlungen ziehen müsse.
2009 war der Verhandlungsgruppe vorgeworfen worden, sie habe zu wenig herausgeschlagen. Dass nach der herben Wahlniederlage mehr zu erreichen ist, widerspricht eigentlich der politischen Logik. Es wird jedoch kühn darauf vertraut, dass aufgrund gewonnener Erfahrung mehr drin ist.
Beleidigt äußerte sich der CDU-Landes- und Fraktionschef Michael Schierack. »Die Wähler haben am 14. September der rot-roten Politik eine klare Quittung gegeben«, schimpfte er. Die SPD ignoriere dies und setze die »Verliererkoalition« fort.
Durch die Absage von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) steht nun allerdings Schierack selbst als großer Verlierer da, obwohl seine CDU sich verbesserte - wenn auch weniger als erträumt, so doch von 19,8 auf 23 Prozent. Hohn und Spott ergießen sich über Schierack, weil Woidke seine Entscheidung damit begründete, dass Schierack kein Ministeramt habe übernehmen wollen und damit keine stabile Regierung gewährleistet wäre.
»Das Schicksal Brandenburgs hing an einer Arztpraxis, wie erbärmlich«, wird nun gehänselt. Professor Schierack ist Orthopäde und betrieb als CDU-Landtagsabgeordneter nebenher weiter seine Praxis. Nur in der heißen Wahlkampfphase ließ er seine Arzttätigkeit ruhen. Dass er auf die Nebeneinkünfte nicht verzichten mag, wird gemutmaßt. Das könne doch nicht wahr sein, dass Schierack kneift, denken Parteifreunde.
Es sei auch wirklich nicht wahr, behauptete der Professor erst. »Ich hätte zur Verfügung gestanden, wenn die Positionen, die Themen und auch die Zuschnitte der Ministerien gestimmt hätten«, beteuerte er. Aber über Personalfragen sei bei den Sondierungen gar nicht geredet worden.
Das stimmt zwar, bestätigte Dietmar Woidke. Doch habe er Schierack mehrfach in persönlichen Gesprächen gefragt, ob dieser einen Ministerposten übernehmen werde. »Ich habe ihn auch darauf hingewiesen, dass es auf unserer Seite Irritationen hervorrufen wird, wenn er es nicht tut«, erzählte Woidke am Mittwoch im rbb-Inforadio. Schließlich habe ihm Schierack mitgeteilt, dass er Fraktionschef bleiben wolle.
Daraufhin warf Schierack dem Ministerpräsidenten Vertrauensbruch vor. Über Personalien habe er mit Woidke nur in vertraulichen Telefonaten gesprochen, beklagte er. Damit stützte der CDU-Politiker aber indirekt Woidkes Darstellung. Laut Schierack gab es hohe Hürden für Rot-Schwarz. So habe die SPD der CDU nur drei statt vier Ministerien zugestehen wollen. Die LINKE hat sich dem Vernehmen nach mit nur noch drei Ministern abgefunden.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.