Erdogan begrüßt Schläge gegen Terrormiliz
Kurden fühlen sich von Ankara verraten, während die PKK Sympathien gewinnt
Während seines Besuches in den USA hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Luftangriffe gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien als einen Schlag gegen die »Terrororganisationen in der Region« begrüßt. Die Wortwahl war wohl überlegt. Gleich danach kam Erdogan auf den »separatistischen Terrorismus« zu sprechen, der in gleicher Weise bekämpft werden müsse.
Die Worte klingen etwas befremdlich. Erweckt die türkische Regierung nicht den Eindruck, als wolle sie das Kurdenproblem durch Verhandlungen lösen und zwar unter Einbeziehung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)? Hat die PKK nicht den bewaffneten Kampf eingestellt und ihre Kämpferinnen und Kämpfer zum großen Teil aus der Türkei zurückgezogen? Ist das vergleichbar mit dem Agieren des IS, der die Weltherrschaft anstrebt und alle, die ihm nicht folgen mögen, mit dem Tod bedroht?
Im Gegensatz zu Erdogan wünschen sich viele Kurden in der Region derzeit lieber mehr als weniger PKK. Denn die Verbände der PKK kämpfen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. In der Zeitung »Milliyet« erhebt der Führer der syrischen Kurden in Syrien, Salih Müslim, schwere Vorwürfe gegen die Türkei: »Ein Volk wird vor unseren Augen ermordet. Was sagen sie dazu?« Müslim fleht geradezu um militärische Hilfe: »Die USA, Frankreich, ja sogar das syrische Regime sollen eingreifen, nur lasst uns nicht mit dem IS alleine!« Die einzige direkte militärische Unterstützung kam bis zum Eingreifen der USA und ihrer Verbündeter von den Flugzeugen des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad. Die Türkei steht nicht nur Gewehr bei Fuß, sie verhindert auch, dass die syrischen Kurden oder gar die PKK über türkisches Gebiet dem eingeschlossenen Grenzort Kobane, arabisch Ain al-Arab, Verstärkung schicken.
Indessen reißen die Nachrichten über Kämpfer des IS, die in türkischen Krankenhäusern behandelt werden, nicht ab. Beim kurdischen Verein Civaka Azad in Frankfurt am Main spricht man sogar von türkischen Waffenlieferungen an den IS. Im Internet kursiert ein Video, das bärtige Männer mit Symbolen des IS zeigt, die in Istanbul mit der Straßenbahn fahren. Ein Lazarett mit 75 Betten in Gaziantep, in dem islamistische Kämpfer behandelt worden sind, wurde mittlerweile auf öffentlichen Druck hin geschlossen. Doch trugen die Patienten Symbole der Tauhid-Brigade, einer anderen mit dem Islamischen Staat verfeindeten islamistischen Gruppe. Auch bei den Waffenlieferungen nach Syrien, die im Frühjahr aufgeflogen sind, ist nicht geklärt, an welche Gruppen sie gingen. Trotzdem wächst bei den Kurden in Syrien, in Irak und im eigenen Land die Unzufriedenheit mit der Türkei. Die PKK hingegen sammelt Punkte. Auch in Washington nimmt die Unzufriedenheit über die bestenfalls passive Haltung der Türkei zu. Das sagt zwar so niemand, aber bezeichnenderweise will US-Präsident Barack Obama am heutigen Donnerstag den ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi und den äthiopischen Präsidenten Hailemariam Desalegn treffen. Erdogan wirkte etwas verlegen, als er bei einer Pressekonferenz gefragt wurde, ob er auch Obama treffen werde und verwies auf seine Hoffnung, ihn am Rande eines Empfangs zu treffen. Vom großen politischen Einfluss der Türkei, von dem türkische Medien unverdrossen sprechen, ist nicht viel geblieben.
Jetzt, wo die jüngst befreiten türkischen Geiseln nicht mehr als Grund für das Nichtstun gelten können, gerät die Türkei immer mehr unter Druck, endlich auch etwas gegen den IS zu tun. Und es gäbe eine Menge Möglichkeiten. Zwar hat Erdogan von politischer und militärischer Hilfe gesprochen, allerdings recht vage.
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