Tote Zivilisten verscharrt?

Grausiger Fund in der Ostukraine / Russland fordert internationale Untersuchung

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kämpfe in der Ostukraine flauen ab, doch nicht die Schrecken des Krieges. Für Entsetzen sorgt ein mögliches Massengrab bei Donezk.

Sterbliche Überreste von bislang drei Frauen und einem Mann wurden am Mittwoch beim Bergwerksschacht 22 »Kommunar« in der ukrainischen Ortschaft Nishnaja Krynka, 60 Kilometer von Donezk entfernt, geborgen. Hier soll es sich nach Angaben der Führung der »Republik Donezk« laut russischen Agenturen um ein Massengrab handeln. Verantwortlich gemacht wird für die Untat die ukrainische Nationalgarde. »Die Exhumierung der ersten Leichen - größtenteils junger Frauen - hat gezeigt, dass diese Frauen vergewaltigt, gefoltert, gefesselt und erschossen wurden. Eine von ihnen war schwanger«, erklärte der russische Abgeordnete Wjatscheslaw Nikonow in Moskau. Wie viele Menschen dort heimlich verscharrt wurden, ist noch unklar.

Eine Verwicklung Kiewer Streitkräfte in diese Ereignisse, wies Andrej Lysenko vom ukrainischen Sicherheitsrat laut ITAR/TASS zurück. »Die Nationalgarde eines Massenmordes zu beschuldigen, ist gut geplant, aber schlecht durchdacht«, sagte er. Zuvor hatte es geheißen, die Nationalgarde sei an diesem Ort nicht gewesen. Auch die offiziöse Agentur UNIAN berichtete über das Grab.

Vertreter der »Volksrepublik«, die am Vortag über die Stätte informiert hatten, wurden mit der Angabe zitiert, hier seien Einheiten der Nationalgarde stationiert gewesen. Das russische Außenministerium sprach sich für eine unabhängige Untersuchung durch Vertreter von UNO, OSZE und Europarat aus.

Nach jüngsten Angaben der UNO hat der Ukraine-Konflikt bislang mehr als 3500 Menschen das Leben gekostet. Bis Sonntag seien 3543 Todesopfer erfasst worden. Der UN-Untergeneralsekretär für Menschenrechte, Ivan Simonovic, hatte am Vortag in Genf eingeschränkt, dass man sich nur auf zugängliche Quellen habe stützen können. Die Zahl der Opfer liege wahrscheinlich wesentlich höher. Er beklagte massive Menschenrechtsverletzungen in der Ostukraine. Dazu zählten Morde, Folter und Entführungen.

Nach einem Zwischenbericht, den der Europarat auf seiner Webseite veröffentlichte, stößt eine von ihm eingesetzte Expertengruppe in der Ukraine auf Schwierigkeiten. Die dortigen Behörden würden nicht fristgerecht alle angeforderten Informationen bereit halten und damit die Arbeit der Experten verschleppen, die einen geplanten Besuch bereits aufschieben mussten.

Juristen sollen überprüfen, inwieweit die Ermittlungen der ukrainischen Behörden über die gewaltsamen Ausschreitungen auf dem Kiewer Maidan zwischen November 2013 und Februar 2014 sowie über die blutigen Ereignisse in Odessa am 2. Mai den internationalen Standards entsprechen. Die Gruppe hat allerdings nicht den Auftrag, zu den Ausschreitungen selbst zu ermitteln.

Auf Kritik aus der deutschen Linkspartei traf eine von der ukrainischen Ministerin für Sozialpolitik angekündigte »Neuregelung des Arbeitsdienstes«. Dies »würde die Einführung von Zwangsarbeit bedeuten, die gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt«, erklärte der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko. Zu einem Landesarbeitsdienst sollen Arbeiter, Selbstständige, Arbeitslose, Studenten, Auszubildende, Schüler, Bauern ohne Zustimmung eingezogen werden können, um »gesellschaftlich nützliche Arbeit« wie Reparaturen an den Staatsgrenzen, an Flugplätzen und Befestigungsanlagen durchzuführen.

In der Ostukraine habe sich nach Einschätzung der NATO die Zahl russischer Soldaten vermindert. Es seien jedoch Spezialtruppen verblieben, teilte eine NATO-Sprecherin mit. Genaue Angaben seien schwierig, da zahlreiche Kontrollposten weiterhin in der Hand der Aufständischen seien, wurde ein Offizier zitiert. Aus dem Konfliktgebiet selbst wurden fortgesetzte Gefechte um den Flughafen in Donezk berichtet. Vor allem nachts werde gekämpft, hieß es. Aus den Regionen Lugansk und Donezk gebe es immer wieder Berichte über Gefechte und Explosionen.

Der bereits vierte russische Hilfskonvoi für die Ostukraine werde formiert, teilte in Moskau das Ministerium für Katastrophenschutz mit. Wann er in Marsch gesetzt werde, hieß es, werde über diplomatische Kanäle entschieden. Eine Ladung Wasser und Lebensmittel reiche im Krisengebiet nur drei bis vier Wochen, hieß es. Hilsgüter müssten regelmäßig bereitgestellt werden. Besonders die eigenmächtige Grenzüberquerung eines ersten russischen Konvois nach aussichtslosem Warten an der Grenze hatte für geharnischte Proteste aus Kiew gesorgt. Dort spricht man von »Provokationen«.

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