Koloss aus Stahl für den Tagebau
Volkmar Schrader ist einer der Konstrukteure der gigantischen Förderbrücke F 60
Als Volkmar Schrader und seine Kollegen vor Jahrzehnten beauftragt wurden, die bis heute größte Abraumförderbrücke im Braunkohletagebau in der Lausitz zu konstruieren, waren die Bedingungen vergleichsweise schlecht. »Wir hatten in der DDR manchmal Materialmangel und mussten uns als Konstrukteure dann Alternativen ausdenken«, sagt der 74-Jährige aus Schwarzheide. Der erste von fünf Stahlkolossen mit dem Namen F 60 nahm 1972 im Tagebau Welzow seinen Betrieb auf. Noch heute ist er im Einsatz.
Seine Begeisterung für Technik ist dem Ingenieur in jedem Satz anzumerken. An einer Wand im Arbeitszimmer in Schraders Wohnung hängt ein Bild von der F 60. Als sein »Lebenswerk« bezeichnet der hochgewachsene Mann, der aus Halle stammt, diese riesige Förderbrücke. »Dass die F 60 so lange Wind, Regen sowie den extremen Arbeitsbedingungen standgehalten hat...«, sagt er in einem fast zärtlichen Ton.
Schrader hat viele Daten zusammengetragen über die rund 290 Jahre Geschichte seiner alten Firma Lauchhammerwerk und über den Tagebau in der Lausitz. Mit einem Freund teilt er als Hobbyhistoriker diese Leidenschaft. Viele alte Fotos und Pläne gibt es bei Schrader zu sehen.
Der Braunkohlehunger der DDR war groß. Die Energie war vergleichsweise günstig zu produzieren und sie war verfügbar. Im Boden der Lausitz, dem zweitgrößten Braunkohlerevier Deutschlands nach dem Rheinischen Revier, lagerten viele Schätze. 17 Gruben gab es bis zur Wende in Brandenburg und Sachsen. Heute betreibt der schwedische Staatskonzern Vattenfall noch fünf: Welzow-Süd, Jänschwalde und Cottbus-Nord in Brandenburg sowie Nochten und Reichwalde in Sachsen. Braunkohle gilt heute als besonders klimaschädlicher Energieträger und ist deshalb umstritten.
Wenn Schrader von der Konstruktion der F 60 erzählt, leuchten seine Augen. Bis der Stahlkomplex fertiggestellt war, mussten viele Probleme überwunden werden. Er habe die Entwicklung der F-60-Brücken zunächst als Konstrukteur und zuletzt als Chefkonstrukteur begleitet, erzählt Schrader. »Wir hatten zum Beispiel Schwierigkeiten mit den Fördergurten, die waren aus Polyamid. Sie rissen manchmal. In der BRD gab es bereits Stahlseilgurte, die stabiler waren.«
1972 ging die Brücke in den Probebetrieb. Damit war es möglich, bis in eine Tiefe von 60 Metern zu kommen, um Braunkohle zu fördern. Eimerkettenbagger legen die Kohle frei und laden das Erdreich auf Bänder der Brücke, erklärt Schrader. Die Bänder transportieren den Abraum über den offenen Tagebau hinweg und verkippe ihn auf vier verschiedene Ebenen. Indessen wird die freigelegte Kohle unter der Brücke abgebaut und mit einer anderen Bandanlage wegtransportiert. Die Brücke ist fahrbar, so dass sie sich langsam durch den gesamten Tagebau schiebt.
Es wurden nach der ersten F 60 auch für andere Gruben in der Lausitz solche Abraumförderbrücken gebaut. In Nochten, Reichwalde und Jänschwalde sind sie laut Vattenfall noch in Betrieb. Eine fünfte Brücke ist heute eine touristische Attraktion. Unter dem Namen Besucherbergwerk kann sie in Lichterfeld (Oberspreewald-Lausitz) betreten werden. Es gibt auch Konzerte dort und Hochzeiten. Die F 60 war eine Weiterentwicklung der Förderbrücken F 34 und F 45. Schrader ist überzeugt: »Eine größere Brücke als die F 60 kann nicht gebaut werden.« dpa
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