Silber liegt schwer im Magen
Die deutschen Tischtennisspieler verlieren das Finale der EM gegen Portugal
Timo Boll bekämpfte seinen Frust mit Bier und einem großen Dallas-Burger. Beim Bankett im Restaurant Jeronymo in Lissabon war das unerwartete Ende einer Superserie schwer zu verdauen. Die 1:3-Niederlage am Sonntagabend im Finale der Teameuropameisterschaft gegen Gastgeber Portugal hatte die Gefühlswelt der deutschen Tischtennisspieler kräftig durcheinandergewirbelt. »Das tut schon weh«, bekannte der 16-malige Rekordeuropameister. »Zweiter zu sein auf Weltebene hinter China, das kennen wir ja. In Europa ist das aber ein sehr ungewohntes Gefühl.«
Nach sechs Titeln seit 2007 und 37 siegreichen EM-Matches konnte auch der formstarke Boll das Ruder nicht mehr herumreißen. Im Spitzeneinzel gegen Portugals Topspieler Marcos Freitas kassierte der 33 Jahre alte Linkshänder seine einzige Turnierniederlage. Zuvor hatte Boll mit neun Siegen die Mannschaft des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) trotz widriger Umstände ins Finale geführt. »Freitas hatte vielleicht einen Tick mehr Kondition. Ich hatte ein paar Konzentrationslöcher und habe mich durch ein paar Dinge rausbringen lassen«, sagte der Düsseldorfer Bundesligaprofi.
An den umstrittenen Aufschlägen der frenetisch gefeierten Gastgeber, die in der Vorrunde noch 1:3 gegen Deutschland verloren hatten, wollte keiner die Niederlage aufhängen. »Wir haben uns gut verkauft, die Vorzeichen standen aber schlecht«, sagte Europameister Dimitri Owtscharow. Der Einzelchampion war wegen einer Zahnoperation mit Verspätung angereist und nicht in Topform. »Mir fehlte die Kraft, für meinen Körper war das nicht gut. Ich wollte aber nicht zu Hause sitzen und das Team mit zwei Mann spielen lassen«, meinte der 26 Jahre alte Hamelner.
»Die Portugiesen haben fast über ihrem Limit gespielt. Für uns ist das aber kein Beinbruch«, stellte Bundestrainer Jörg Roßkopf fest. Er hatte in jeder Partie nur drei Spieler zur Verfügung. Trotz der misslichen Umstände war die Niederlage, die den EM-Nimbus der Unbesiegbarkeit beendete, auch ein Warnschuss zur richtigen Zeit. Bei der Fokussierung auf die Weltmacht China hatten die Seriensieger die europäische Konkurrenz vielleicht etwas aus den Augen verloren.
Ähnlich sah es Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig, der mit Gold für die Frauen und Silber für die Männer immer noch ein respektables Resultat für den DTTB erzielte. »Jede Serie reißt. Für uns ist das ein schmerzhaftes Erlebnis, für das Tischtennis in Europa ist es aber von Vorteil«, argumentierte Schimmelpfennig.
Später kam auch die gute Laune zu den Spielern zurück, die zunächst völlig konsterniert in der Spielerbox saßen und die emotionale Siegerehrung fast regungslos über sich ergehen ließen. Timo Boll, Dimitri Owtscharow, Steffen Mengel und Patrick Franziska schrieben danach aber wieder fleißig Autogramme und erfüllten viele Fotowünsche. dpa/nd
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