Blick hinter die verschlossene Tür
Die LINKE will künftig besser über die Koalitionsverhandlungen mit der SPD informieren
Kurze Verhandlungspause im Potsdamer Kongresshotel. Die Landesvorsitzenden Dietmar Woidke (SPD) und Christian Görke (LINKE) treten vor die Mikrofone und geben einen ganz kleinen Einblick. Hinter verschlossener Tür ging es zuvor in dieser zweiten Runde der Koalitionsverhandlungen um die Bildung.
Die Ausgangslage sah so aus: 4400 neue Lehrer wünschte sich die LINKE für die Jahre bis 2019, die SPD hatte nur 4000 versprochen. Die LINKE wollte den Betreuungsschlüssel in Krippen und Kindergärten verbessern, die SPD überlegte, ob das Geld nicht nur für mehr Personal in den Krippen reicht. Das Ergebnis: 4300 Lehrer sollen eingestellt werden und es wird künftig rechnerisch eine Erzieherin für nur noch fünf Kinder bis zu drei Jahren geben und eine Erzieherin für nur elf Kinder bis zu sechs Jahren. Zudem kommt die heiß ersehnte Gemeinschaftsschule. Denn das scheint zu sein, was sich hinter dem Etikett Schulzentrum verbirgt.
Es sieht so aus, als habe die LINKE viel herausgeschlagen. Womöglich musste sie dafür nicht einmal hart verhandeln. Vielleicht half die gute Atmosphäre, die von Woidke und Görke übereinstimmend als »sehr, sehr gut«, als »gelöst und in großer Ernsthaftigkeit« beschrieben wird.
Die Auskünfte nach der zweiten Runde am Dienstag waren detaillierter als die dürren Informationen nach der ersten Runde am Sonnabend. Es gab diesmal etliche Zahlen, zum Beispiel diese: Das 510-Stellen-Programm für die Schulsozialarbeit wird um 100 Stellen aufgestockt. Noch ein Erfolg für die LINKE.
Insgesamt gab es bislang trotzdem nur Ergebnishäppchen. Dabei hätten Genossen wie Fritz R. Viertel aus Schöneiche gern Genaueres über die Gemeinschaftsschule gewusst. Müssen sich Grundschulen für das längere gemeinsame Lernen mit weiterführenden Schulen zusammenschließen oder dürfen sie Klassen einrichten? Werden Schulneugründungen zugelassen? Geht es bis zum Abitur? Gibt es Fördermittel? In diese Richtung gingen Viertels Fragen. »Bin auf Konkretisierungen gespannt«, erklärt er.
Und Ronald Kurz möchte wissen, was in Sachen Wirtschaft, Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ausgehandelt wurde. »Wir haben auf dem Weg zur Gestaltung des sozialen Brandenburgs nur zwei große Schritte gemacht«, bemängelt er. »Ich bin gar nicht so zufrieden.«
»Gemach, gemach, lieber Ronald«, reagiert der stellvertretende Landesvorsitzende Sebastian Walter. »Man kann schlecht die halbe Landespolitik an einem Tag durchackern.« Walter verspricht, dass es in Zukunft viel mehr Details geben wird. Es sollen auch Interviews mit Angehörigen der Verhandlungsgruppe ins Internet gestellt werden.
Am 25. September hatte die märkische LINKE einen Blog gestartet. Angekündigt war er unter der vielversprechenden Überschrift »Immer auf dem neuesten Stand«. Doch der augenzwinkernde Hinweis, Kaffee sei genug da, konnte nicht zufrieden stellen.
Fritz R. Viertel etwa wünscht viel Erfolg für die Koalitionsverhandlungen, wünscht sich aber zugleich »ein bisschen mehr Transparenz und Partizipation in diesem Regierungsbildungsprozess«. Gerade als Konsequenz aus dem Wahldebakel am 14. September - die Sozialisten hatten 8,6 Prozent verloren - sollte die LINKE »eine neue Regierungskultur etablieren, welche die Parteiaktiven wirklich einbezieht«, denkt Viertel. »Eine Aktivenkonferenz, die diesen Namen nicht verdient, weil es dann sowieso keine Veränderungen an der Koalitionsvereinbarung mehr geben wird, ist da wohl nicht der richtige Weg.«
2009 hielt die LINKE bereits zur Halbzeit der Koalitionsverhandlungen eine Aktivenkonferenz in Blossin ab, obwohl der SPD ein solches Vorgehen gar nicht behagte. Diesmal findet die Konferenz erst am 11. Oktober um 10 Uhr im Potsdamer Tagungshaus Blauart statt (Werderscher Damm 8). Bis dahin soll der Koalitionsvertrag fertig vorliegen.
Allerdings sind zusätzlich noch zwei Basiskonferenzen vorgesehen. Eine am 14. Oktober für den Süden des Landes und eine für den Norden am 17. Oktober in Eberswalde. Anschließend werde der Geschäftsführende Landesvorstand durch Brandenburg reisen, kündigt Walter an. Der entscheidende Unterschied zu 2009, der ein Mehr an Mitbestimmung bringt, ist ein Mitgliederentscheid, bei dem der Koalitionsvertrag angenommen oder abgelehnt werden kann. Ab dem 13. Oktober werden die Unterlagen dafür verschickt. Am 31. Oktober wird öffentlich ausgezählt.
Über mehr Informationen würde sich Frank Gebauer aus Herzberg freuen. Im Gegensatz zu Viertel und Kurz ist er nicht Parteimitglied, jedoch Sympathisant. Mehr Lehrer und Erzieher, das hört sich für Gebauer schon einmal gut an. »Hoffentlich merken es die Leute auf der Straße auch«, kommentiert er. Die Zahlen seien immer das eine, die Realität dann oft das andere. Das kennt Gebauer aus der Vergangenheit. In der DDR habe es immer ermutigende Berichte über die Warenproduktion gegeben, »aber in den Läden waren viele Dinge dann doch nicht zu kaufen.«
Die »kapitalistischen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, werden wir auch in einer weiteren Wahlperiode nicht verändern können«, schrieb der Landesvorsitzende Görke in einem Brief an seine märkischen Genossen. »Aber wir haben uns fest vorgenommen, künftig die Stimmungen und Fragen der Bürgerinnen und Bürger intensiver aufzunehmen.« Es habe Leute in der Partei gegeben, die nach der Wahlniederlage keine weitere Regierungsbeteiligung wollten. Aber in jeder Niederlage liege die Chance für neue Wege, meinte Görke. »Es ist wichtig für uns, dass wir auch in dieser schwierigen Situation kühlen Kopfes politisch denken und gemeinsam solidarisch miteinander handeln.«
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