Karim Bellarabi träumt weiter
Der 24-Jährige hat sich im zweiten Anlauf in Leverkusen durchgesetzt und wurde jetzt in die DFB-Auswahl berufen
Dass Karim Bellarabi die Saisonvorbereitung extrem gewissenhaft anging, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Nach seiner Berufung in die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes durch Joachim Löw bewies der gebürtige Berliner, dass er auch auf dem Kamm seiner persönlichen Erfolgswelle immer noch auf dem Laufenden bleibt. So empfängt Leverkusens Cheftrainer Roger Schmidt mit der Werkself am Sonnabend Aufsteiger SC Paderborn - was Bellarabi mit der frischen Information garnierte: »Der Trainer hat da noch ein Haus stehen. Deshalb werden wir Vollgas geben, um für ihn die drei Punkte zu holen.«
Als Schmidt vom Sommer 2011 an ein Jahr lang Dienst in Paderborn tat, absolvierte Bellarabi gerade seine erste Schleife unter dem Bayer-Kreuz. Es war der Start in eine zunächst mühevolle Liaison. Aus dem März 2012 überliefert ist zum Beispiel der für die Leverkusener Chefs ärgerliche Kommentar von Bellarabi (»Ein großer Moment für mich«) - zu seinem Ehrentreffer beim peinlichen 1:7 in Barcelona, erzielt in der Nachspielzeit. In der Folgesaison warf den rasanten Angreifer dann eine langwierige Schambeinverletzung zurück - ehe bei ihm am Ende eines unrunden Jahres erst als Leihspieler in Braunschweig der Groschen fiel.
»Ich habe mir vor der Saison vorgenommen, in diesem Jahr anzugreifen. So viele Chancen bekommt man nicht im Leben, deshalb habe ich mich privat schon lange vor dem Trainingsauftakt vorbereitet«, erzählt Bellarabi von seiner neuen Hopp-oder-Top-Haltung - die auch seinen Trainer beeindruckte. »Karim hat vom ersten Tag an einen sehr guten Eindruck hinterlassen«, rekapituliert Roger Schmidt und erklärt: »Er hat aus unserer Spielidee seine Spielidee gemacht - und gemerkt, dass er nicht nur mit Ball schnell ist, sondern auch gegen den Ball.«
Am Mittwochabend, beim 3:1 in der Champions League gegen Benfica Lissabon, riss der Aufsteiger des Jahres in bekannter Manier immer wieder die rechte Abwehrflanke der Portugiesen auf. »Karim hat sich unglaublich entwickelt«, staunte da Teamkollege Hakan Calhanoglu - für den inzwischen zweifelsfrei feststeht: »Er gehört in die Stammelf der Nationalmannschaft.« Klar ist: Eine Entscheidung für die Auswahl von Marokko, das parallel zu Bellarabis sensationellem Saisonstart rasch die Fühler nach dem Sohn einer Deutschen und eines Marokkaners ausstreckte, wäre für Leverkusens Leuchtrakete die einfachere Lösung gewesen. Setzt ihn nun Bundestrainer Löw, der in diesem Fall ebenfalls sehr rasch reagierte, in der EM-Qualifikation in Polen (11. Oktober) oder gegen Irland (14. Oktober) ein, ist für Bellarabi, der zudem einen ghanaischen Stiefvater hat, eine Karriere als afrikanischer Nationalspieler ausgeschlossen.
Im Weltmeisterland muss er sich auf den Außenbahnen mit Konkurrenten wie Thomas Müller, Mario Götze oder Marco Reus herumschlagen. Das aber ist Bellarabi erst mal egal. Nach dem Benfica-Spiel druckste er zum durch die Arena wabernden Nationalmannschaftsgerücht noch mächtig herum. Doch als die Sache tags darauf offiziell war, gab er stolz zu Protokoll: »Da geht ein Traum für mich in Erfüllung.«
Es ist der Lohn für einen Mann, der im frühen mittleren Fußballeralter die Kurve gekriegt hat. In Braunschweig wurde Bellarabi - im schwierigen Bremer Stadtteil Huchting aufgewachsen - von Trainer Torsten Lieberknecht mal aus dem Kader geworfen, weil er zu spät zum Frühstück kam. Und Bayer-Geschäftsführer Michael Schade räumt offen ein, dass es »im Vorfeld unterschiedliche Meinungen« über den Rückkehrer gegeben habe.
Als Übungsleiter Schmidt Bellarabi jedoch die ersten Male im Training erlebt hatte, war die angedachte Weiter-Ausleihe schnell vom Tisch. »Er hat unser System zu seinem gemacht«, begründet der 47-Jährige den fulminanten Aufstieg des stürmischen Mittelfeldspielers - und prophezeit: »Er ist zwar nicht mehr der Jüngste, kann aber noch einen richtigen Sprung machen.«
Karim Bellarabi jedenfalls scheint dazu bereit. Für die deutsche U 20 und U 21 hat er bereits gespielt, ist seit dem ersten Spieltag als Schütze des schnellsten Bundesligatreffers (neun Sekunden) notiert - und sagt jetzt: »Alles, was ich mir vorgenommen habe, hat sich erfüllt. Aber ich bin noch in einer Lernphase - und will sehen, was ich da noch rausholen kann.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.