Kirchlicher Segen für »Lady«

In der Zwöf-Apostel-Kirche in Schöneberg dürfen Haustiere mit zum Gottesdienst

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum Tag des Heiligen Franz von Assisi stellt eine Gemeinde klar, dass der Tierschutz auf die kirchliche und politische Agenda muss.

Ein Kirchenchor war extra aus Stockholm angereist, die Gemeinde nur ihretwegen da: Selten bekommen Haustiere soviel Aufmerksamkeit wie am Freitag in der Zwölf-Apostel-Kirche in Schöneberg. Das Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin hatte zum fünften jährlichen Tiersegnungsgottesdienst geladen, bei dem Gläubige ihre Haustiere mitbringen dürfen - um die besondere Bindung der Tiere zu ihren Besitzern zu würdigen und daran zu erinnern, dass Tiere als Geschöpfe Gottes vor Ausbeutung bewahrt werden müssen. So predigte auch der Heilige Franz von Assisi, dessen die Kirche immer am 3. Oktober gedenkt.

Bruder Franziskus hatte die Idee zu dem besonderen Gottesdienst, als er bemerkte, dass seine Kirche zwar voll von Fensterbildern mit Tieren ist - aber echte nie da sind. Für ihn ist der Gottesdienst ein »Liebesdienst an den Menschen, die in die Kirche kommen und deren einzige Lebensgefährten ihre Haustiere sind«. Vor allem die Älteren in unserer Gesellschaft sind es, die oft ein Tier als einzigen Gefährten haben. Das macht das Thema hoch politisch. Es ist aber nicht nur diese Ebene, die Franziskus mit dem Gottesdienst für Mensch und Tier ansprechen will. Ihm geht es auch darum, das Thema Tierschutz anzusprechen und für einen besseren Umgang mit Nutztieren zu mahnen.

Dies war auch das Thema der Predigt, die von Thomas Schimmel gehalten wurde. Der Geschäftsführer der Deutschen Stiftung für interreligiösen und interkulturellen Dialog ging darin auf die Abwesenheit von Tieren im Christentum ein. Während in allen anderen Religionen Tiere vorkommen, und zwar durchweg mit positiven Konnotationen, »hat das Christentum viele dieser Ansätze vergessen«. Schuld ist ein Übersetzungsfehler Luthers, dessen Ausspruch »der Mensch soll sich die Erde Untertan machen« zu vielen Gräueltaten gegen Tiere geführt habe. Erst langsam, so Schimmel, setze sich der Gedanke in der christlichen Kirche durch, dass »Tiere mitfühlende Geschöpfe sind«. Daraus müssten Konsequenzen gezogen werden, nicht zuletzt politische. »Massentierhaltung ist Sünde«, so die kontroverse Aussage einer Predigt Schimmels an gleicher Stelle vor einigen Jahren.

Der Tiersegnungsgottesdienst weckt Interesse bei den Gläubigen über die Stadtgrenzen Berlins hinaus. Joachim Debes ist mit seiner elfjährigen Hündin Lady extra aus Dresden angereist, um sie durch Bruder Franziskus segnen zu lassen. Für ihn ist es ein Ausdruck seiner Verbundenheit zu Lady. Er freut sich, ihre »besondere Beziehung unter den gleichen Segen zu stellen«.

Wie Debes wünschen sich viele Kirchengänger, ihre Tiere bei diesem wichtigen Aspekt ihres Lebens dabei zu haben. Bruder Franziskus hat aus den positiven Eindrücken des ersten Tiersegnungsgottesdienstes vor fünf Jahren Konsequenzen gezogen: Der Sonntagsgottesdienst in der Zwölf-Apostel-Kirche steht immer auch Tieren offen. Ein Angebot, das von der Gemeinde wahrgenommen wird, und so sah das Gotteshaus neben Hunden und Katzen auch schon Enten, Ratten, Papageien und auch schon mal eine Möwe als Gast. Da sich die Tiere in ihren jeweiligen ganz unterschiedlichen Sprachen viel zu erzählen haben, bittet Franziskus »insbesondere die Menschen um gegenseitige Rücksicht und Verständnis«.

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