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Eine geheimnisumwitterte Organisation entzaubert
Annette Ranko hat sich mit Geschichte, Struktur und Profil der Muslimbruderschaft befasst
Ägypten spielt eine wichtige Rolle im Nahen Osten. Der bevölkerungsreiche Staat kontrolliert den Suezkanal, ist ein Schlüsselland für den Frieden mit Israel und als Nachbar der Krisengebiete Libyen im Westen und Sudan im Süden von allen Seiten gefordert. Seit dem Sturz Mubaraks taumelt das Land einer ungewissen Zukunft entgegen. Der Diktator hatte außenpolitisch verlässlich mit dem Westen kollaboriert, wurde aber wegen seines innenpolitischen Versagens Anfang 2011 vom Volkszorn hinweggefegt.
Eine der wichtigsten, zunächst außerparlamentarischen Akteure im Land ist die seit Jahrzehnten aktive Muslimbruderschaft. Die Nahost-Expertin Annette Ranko hat Geschichte und Struktur, das politische und religiöse Profil sowie die Rolle der geheimnisumwitterten Organisation im gegenwärtigen Ägypten untersucht. Damit liegt erstmals eine aktuelle Einschätzung dieser Kraft vor, die nach dem Sturz Mubaraks für etwa ein Jahr durch den inzwischen vom Militär abgesetzten Präsidenten Mursi Macht ausübte.
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* Annette Ranko: Die Muslimbruderschaft. Porträt einer mächtigen Verbindung. Edition Körber-Stiftung. 164 S., geb., 14 €.
Die Autorin arbeitet am German Institute of Global and Area Studies (GIGA Institut für Nahost-Studien) in Hamburg im Zuständigkeitsbereich »islamistische Bewegungen«. Sie gibt einen knappen Überblick über die Entstehung der Organisation im Kampf um die Erlangung der vollen Souveränität und die Abschüttelung der britischen Oberherrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter den nachfolgenden Regimes von Nasser bis Mubarak war die Organisation verboten und verfolgt.
Annette Ranko beschreibt deren wachsende Resonanz in der Bevölkerung und geht deren Ursachen nach. Ein ganzes Bündel an Zielsetzungen hat zu ihrer Popularität beigetragen: Im Mittelpunkt stand immer die Forderung nach einer islamgerechten Gesellschaft. Das Konzept eines demokratischen »zivilen Staates mit islamischem Referenzrahmen« gehörte zu den zentralen politischen Zielsetzungen. Große Beliebtheit im Volk gewannen die Muslimbrüder durch ihr effektives soziales Engagement und durch ihre antizionistische Propaganda. Sie nahmen Gewaltanwendung nie in ihr offizielles Programm auf, obwohl sie zeitweilig auch einen geheimen »bewaffneten Arm« hatten. Sie bauten eine flächendeckende, in viele lokale Einheiten gegliederte schlagkräftige Organisation auf.
Als sie im Zuge der ägyptischen Variante des »arabischen Frühlings« überraschend selbst an die Macht kamen, versagte indes ihr Präsident Mursi so kläglich, dass sich der Volkszorn nunmehr gegen ihr Regime richtete. Und so konnte das überwiegend noch mit Mubarak verbundene Militär zunächst einmal vorübergehend die Macht übernehmen und eine neue Unterdrückungsphase gegenüber den Muslimbrüdern einleiten.
Als gesellschaftlicher Faktor dürften sie in Ägypten nicht auszuschalten sein. Sie sollten nach Auffassung der Autorin an der Ausarbeitung demokratischer Strukturen ebenso wie die schwach organisierten linken und liberalen Kräfte beteiligt werden. Da die Zukunft Ägyptens niemandem gleichgültig sein kann , ist diese gut lesbare, allerdings durch manche Redundanz etwas langatmig geratene Studie ein wichtiges Hilfsmittel für eine realistische Einschätzung der Lage in Ägypten und Nordafrika. In der Vergangenheit hat der Westen auf diverse Regimes gesetzt, viel Kredit gegeben, aber im Volk auch viel Kredit verspielt.
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