Entmottung eines Oldtimers

Verteidigungsministerin von der Leyen will EuroHawk-Roboter für neues »Triton«-Drohnenprojekt nutzen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Gut ein Jahr nach dem Scheitern des Aufklärungsprojektes EuroHawk will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine neue Drohnen-Panne produzieren - und zieht »Triton« aus dem Zylinder.

Es ist gerade einmal 14 Monate her, da konnte Ursula von der Leyens Vorgänger im Amt aufatmen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière, inzwischen Bundesinnenminister, hatte es gerade noch einmal geschafft, den Skandal mit der Aufklärungsdrohne EuroHawk zu überstehen. Trotz eines Untersuchungsausschusses, vor dem der Minister keine gute Figur gemacht hatte, versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie habe vollstes Vertrauen zu ihrem Minister. Als die Posten nach der Bundestagswahl neu verteilt wurden, bekam de Maizière ein anderes Ministerium zugeteilt. Schon seit Mai 2013 war klar: Der hochgelobte elektronische Aufklärungsvogel, der in einem Hangar in Manching abgestellt ist, hat keine Chance auf eine dauerhafte Zulassung in Europa.

Und doch soll er jetzt wieder fliegen. Gegen die Verwirrung hilft ein Blick auf die Details. EuroHawk besteht im Grunde aus zwei Teilen. Da ist zunächst das unbemannte Flugzeug des US-Herstellers Northrop Grumman namens GlobalHawk. Der gehört zu den sogenannten HALE-Drohnen. HA bedeutet hochfliegend, das LE steht für Langstreckentauglichkeit. Zum EuroHawk wird die US-Drohne durch die neue Zuladung. ISIS wird sie genannt. Sie wurde von EADS (heute Airbus-Defence) konstruiert und gebaut. Mit der Technik sollen aus 20 Kilometer Höhe elektronische Signale verschiedenster Art - Funkverkehr, Mobilfunkkommunikation, Radarsignaturen - aufgefangen und teilweise verarbeitet werden, bevor die Daten dann quasi in Echtzeit zur Bodenstation gesendet werden. Die lange Verweildauer und der gewaltige Aufklärungsraum versprechen Militärs wie Geheimdienstlern geradezu sagenhafte Ausbeute.

Doch ohne Zulassung zur Teilnahme am Luftverkehr ist das alles nichts wert. Nach dem Start muss der EuroHawk durch den zivilen Luftraum hindurch bis in seine Einsatzflughöhe. Ohne Kollisionswarnsystem für den zivilen Luftverkehr ist das im eng beflogenen europäischen Luftraum ein abenteuerliches Unterfangen. Und für jeden Start und jede Landung den Luftraum zu sperren, geht schon gar nicht. Mehr noch: Wenn aus irgendwelchen Gründen eine Änderung des Flugverlaufes notwendig wird, wenn eine Notsituation des Ein-Triebwerk-Gefährts eintritt, müssen zusätzliche Lufträume gesperrt werden. Die Italiener richten für die von ihrem Gebiet aus startenden US-amerikanischen Drohnen sogenannte bewegliche Sperrzonen ein. Der gesamte Luftverkehr muss die so geschaffenen »Wanderblasen« meiden. Was über dem Mittelmeer vielleicht praktikabel ist, klappt allerdings über dem dicht beflogenen Festland nicht.

Dazu gesellen sich weitere Probleme. Der EuroHawk wurde aus dem GlobalHawk-Block 20 abgeleitet. Die US-Drohnen sind einige Modifikationen voraus, so wäre es mit der Ersatzteilversorgung schwer geworden. Doch damit nicht genug, die Steuerung der Drohne ist für die Bundeswehr eine »Blackbox«. Die USA lassen da keinen reinschauen, wohl aber können die US-Techniker - und damit auch diverse andere »Fachleute« - sehen, was die Drohne wo sammelt.

Die Einstellung des Projekts traf die Aufklärer bei der Bundeswehr und beim BND dennoch hart. Es wurde vereinbart, dass die noch nicht bis zu Ende erprobte ISIS-Innerei in ein anderes Fluggerät integriert werden sollte. Doch offenbar fand man weder ein geeignetes unbemanntes noch bemanntes Flugzeug. Airbus hatte zwar angeboten, eine neue Drohne zu entwickeln, doch dieses FEMALE-Fluggerät war nur für mittlere Höhen geeignet. Dies hätte die Leistungsfähigkeit von ISIS unterfordert. Und auch die mögliche Zuladungsmenge der neuen Drohne hätte wohl nicht ausgereicht. Kurzum: Ohne EuroHawk (Kostenpunkt 500 Millionen Euro) ist ISIS (Kostenpunkt um die 350 Millionen Euro) überflüssiger Schrott. Was tun?

Man hat Ursula von der Leyen offenbar einen angeblichen Ausweg eingeflüstert: Der heißt »Triton« MQ-4C. Die Drohne ist im Grunde genommen die modernste Variante des GlobalHawk und kommt ebenfalls aus den Fabrikationshallen von Northrop Grumman. Doch bevor man sich um ein neues Trägersystem Gedanken macht, muss man erst einmal wissen, ob ISIS funktioniert. Daran gibt es bislang erhebliche Zweifel - auch wenn die Industrie etwas anderes behauptet. Für weitere Tests will man daher den eingemotteten EuroHawk wieder in die Luft bringen. Vorübergehend.

Doch das wird, glaubt man Fachleuten, schwer. Denn eine vorläufige Zulassung kann offenbar nur erteilt werden, wenn das Luftfahrzeug in absehbarer Zeit auch tatsächlich eingeführt werden soll. Das ist ja wohl beim EuroHawk nicht der Fall.

Und bei der neuen, ins Auge gefassten »Triton«-Drohne ergeben sich die bekannten Fragen: Geben die USA Einblick in die Missionssteuerung? Ohne Luftraumsperrung ist auch für »Triton« kein Einsatz von europäischen Flugplätzen möglich. Oder plant man eine Stationierung der Aufklärungsdrohne auf anderen Einsatzplätzen?

Wenn von der Leyen auf dem von ihr angekündigten Kurs bleibt, hat sie die besten Chancen auf einen eigenen Untersuchungsausschuss - und damit auf das »vollste Vertrauen« der Kanzlerin.

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