Eiskalt und herzerwärmend

Das Lese- und Autorenland Finnland präsentiert sich erstmals in Frankfurt

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Kann etwas für fast alle Menschen Alltägliches wie Lesen besonders sein? Im Falle Finnlands ist diese Frage nur mit einem klaren Ja zu beantworten. Jeder, der hört, wie viel Zeit des Lebens sich Finnen mit Büchern beschäftigen, muss davon beeindruckt sein. 13 Bücher pro Kopf werden in dem nordischen Land jährlich allein in Bibliotheken ausgeliehen, in Deutschland sind es gerade mal drei.

Etwa 830 Bibliotheken gibt es insgesamt in dem nordischen Land. Das klingt nicht viel, doch fast die Hälfte der 5,4 Millionen Einwohner nutzt sie regelmäßig. Nicht nur zum Lesen. Finnische Bibliotheken sind Treffpunkte. Backsteinbauten aus dem frühen 20. Jahrhundert mit hohen Decken, herrschaftlichen Treppen, Sesseln und ausstaffierten Fensterbänken machen aus Lesehallen Orte, an denen die Menschen gern Zeit verbringen. Nicht nur um Bücher anzusehen, auch um welche zu schreiben. In der Kirjasto-Bibliothek in Helsinki kann man zum Beispiel der jungen Autorin Leena Parkkinen begegnen - es darf hier also auch gesprochen werden. Bibliotheken sind in Finnland Kulturgut und Grunddienstleistung, nicht bloß Mittel, um den Bücherhunger zu stillen.

Jener ist immens: 20 Millionen Bücher werden pro Jahr verkauft. Für immer neue Leselust sorgen 4000 Neuerscheinungen. Hieran zeigt sich, dass das Land der Lesenden auch eines der Schreibenden und grafisch Schaffenden ist. Denn nur 17 Prozent der Titel sind Übersetzungen. Das liegt wohl auch daran, dass Finnisch (Suomi) eine sehr besondere Sprache ist, mit charakteristischem Klang und Rhythmus.

3500 Verlage (Deutschland kommt auf 2200) bestücken den Buchmarkt, wobei auch im hohen Norden wenige große Häuser dominieren. Diese haben jedoch ein breit gefächertes Programm vom Finnlandkrimi über Großstadtromane, Historiendramen bis hin zu Erzählungen und Lyrik. Seen, Saunagänge und der ewig erscheinende Sommer spielen dabei ebenso eine Rolle wie düstere Weltuntergangsszenarien, die finnische Geschichte von der Hungersnot im 19. Jahrhundert bis zu den Weltkriegserfahrungen sowie Erlebnissen von der Reise durch die große Welt südlich des 60. Breitengrades.

Über 50 Autorinnen und Autoren der verschiedensten Genres werden nun in Frankfurt unter dem Motto »Finnland. Cool.« ihre Werke in Lesungen und bei Diskussionen präsentieren. Das Land ist erstmals Ehrengast. Nicht unerwähnt darf hierbei auch die Comicszene bleiben, die in Finnland und darüber hinaus einen besonderen Status genießt. Die bekannteste Künstlerin dieser Gattung ist noch immer Tove Jansson, die im August 100 Jahre alt geworden wäre. Die Geschichten ihrer Mumins sind aber nur ein kleiner Ausschnitt dessen, wie bunt und lebensnah, melancholisch bis humorvoll Zeichnungen die Realität fassen können.

Jansson ist in Finnland längst nicht die einzige Frau in ihrem Metier geblieben, zur Zeit machen aber vor allem männliche Kollegen von sich reden. Ville Tietäväinen etwa sorgte mit seiner Graphic Novel »Unsichtbare Hände« für internationales Aufsehen. Darin erzählt er von dem marokkanischen Flüchtling Rashid, der illegal in Südspanien Arbeit sucht.

Weltfremd ist Finnlands Literatur also keinesfalls. Auch wenn Künstler wie die Kaurismäki-Brüder, M.A. Numminen oder Rosa Liksom auf ganz typisch finnisch eigenwillige Weise Gesellschaftskritik üben, so sind die von ihnen angesprochenen Phänomene oft nur allzu menschlich und sprechen genau deshalb viele Menschen auch hierzulande an.

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