Schalauske neuer Chef der Hessen-Linkspartei
Scheuch-Paschkewitz wiedergewählt / Debatte über Hilfe für Kobane auf dem Landesparteitag
Die hessische Linkspartei hat ein Stück Führungs- und Generationswechsel vollzogen. Ein Landesparteitag im mittelhessischen Wetzlar wählte am Nachmittag den Marburger Politikwissenschaftler Jan Schalauske mit 92,9 Prozent der abgegebenen Stimmen zum neuen Landesvorsitzenden. Der 33-jährige Stadtverordnete und Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke war ohne Gegenkandidat angetreten. Dem neuen Landeschef zur Seite steht als gleichberechtigte Landesvorsitzende die gelernte Gärtnerin, Sozialarbeiterin und Heilpädagogin Heidemarie Scheuch-Paschkewitz aus dem nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis. Sie war nach einer fünfjährigen Amtszeit erneut für die Spitzenposition im Landesverband angetreten und erhielt 77,2 Prozent der Delegiertenstimmen.
In seiner Vorstellungsrede erhob Schalauske starke Vorwürfe an die Adresse der seit Jahresbeginn mit der Landes-CDU regierenden hessischen Grünen, die in der Frage des Frankfurter Flughafenausbaus »vor Konzerninteressen eingeknickt« seien. »Diese Landesregierung ist ein Totalausfall in Sachen soziale Gerechtigkeit und vielen hessischen Kommunen steht das Wasser bis zum Hals«, so der neue Landeschef. Weil »die Parteientwicklung nicht immer mit unseren Wahlerfolgen Schritt hält«, möchte er mit politischer Bildungsarbeit die Parteistrukturen stärken und »der Erfolgsgeschichte der LINKEN in Hessen weitere Kapitel hinzufügen«. In einem »großen Bogen von der Kommunalpolitik bis zu Karl Marx« komme es darauf an, die Sorgen der Menschen aufzugreifen und gleichzeitig im Kampf um die öffentliche Daseinsvorsorge die Eigentumsfrage zu stellen. »Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte«, so Schalauske, der sich in der politischen Tradition von Karl Marx, Rosa Luxemburg und Wolfgang Abendroth sieht.
Der bisherige Vorsitzende Ulrich Wilken hatte ununterbrochen seit 2002 als Landeschef der damaligen PDS und seit 2007 der Partei DIE LINKE fungiert und auf eine weitere Kandidatur verzichtet. Er ist seit 2008 Landtagsabgeordneter und seit Jahresbeginn Vizepräsident des Hessischen Landtags. Wilken bewirbt sich am Wochenende für einen Beisitzerposten im erweiterten Landesvorstand. Die hessische LINKE hatte seit 2008 als bisher einziger West-Landesverband dreimal in Folge mit jeweils knapp über 5 Prozent den Einzug in ein Landesparlament geschafft.
Die Positionierung der Partei zum Verteidigungskampf um die nordsyrische Stadt Kobane und die Lage des kurdischen Volkes in der Nahostregion standen im Mittelpunkt der ersten Debatten des Parteitages. »NATO, USA und Deutschland sind Teil des Problems und nicht Teil der Lösung«, erklärte die stellvertretende Parteivorsitzende Janine Wissler in ihrem Einleitungsreferat und warnte vor einer »Türöffner-Debatte zur Aufweichung der antimilitaristischen Position unserer Partei«. Der Westen habe »die Despoten aufgebaut und ganze Regionen in Bürgerkriege gestürzt« und die USA seien ebenso wie die türkische Regierung »kein Freund der Kurden«.
Wissler warnte davor, im Zusammenhang mit Kobane »Illusionen in die UNO zu schüren, denn auch die UNO hat ihren Anteil an der fatalen Entwicklung in der Region.« So sei etwa auch der im Jahre 1991 mit UN-Mandat gegen den Irak geführte Krieg ein »Krieg ums Öl« gewesen. »Der Ruf nach militärischem Eingreifen ist absurd«, rief Wissler aus. Wilken erinnerte an die zentrale Rolle Hessens für die Kriegsführung in der Nahostregion. »Hier liegen wichtige US-Stützpunkte für die Kriegseinsätze und hier werden Panzer und Handfeuerwaffen produziert.«
Dem Parteitag lagen mehrere Initiativanträge zur aktuellen Lage in Kobane vor. »Wir sind für das Recht der Kurden auf Selbstverteidigung, aber keiner sagt, wo die Waffen herkommen sollen«, gab Michael Riese (Vogelsbergkreis) zu bedenken. Ein von ihm mit eingebrachter Initiativantrag appelliert an die »Verantwortung der Wertegemeinschaft« für die Rettung von Kobane, fordert Unterstützung für die kurdischen Selbstverteidigungskräfte und verlangt eine Initiative des UN-Sicherheitsrats zum Eingreifen in der Region. Bei aller berechtigten Kritik am US-Imperialismus dürfe man nicht vergessen, dass dieser im 2. Weltkrieg Teil der Anti-Hitler-Koalition gewesen sei, so Riese. Demgegenüber erteilt ein von den hessischen Bundestagsabgeordneten mit unterzeichneter Antrag Forderungen nach einen verstärkten Eingreifen des Westens und einer Ausweitung des Luftkriegs »mit oder ohne UN-Mandat« eine Absage.
Ein vom Parteitag ohne Gegenstimmen verabschiedeter Leitantrag orientiert die Untergliederungen auf die Entwicklung hin zu »einer Partei des Alltags und des Widerstands« und eine längerfristige gründliche Vorbereitung auf die Kommunalwahlen in Hessen im März 2016. Ein weiterer Beschluss richtet sich gegen die Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA. Der Kongress wird am Sonntagvormittag mit Wahlen und Antragsberatungen fortgesetzt.
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