Wo die AfD ein Reich des Bösen sieht
Niedersachsen: Kampagne gegen Ferienheim Heideruh
Was wäre eine zünftige Linkenhatz ohne sichtbares Feindbild?! So wie zur Adenauer-Zeit der Sowjetsoldat, mit dessen Auftauchen am Horizont die CDU auf einem Wahlplakat drohte: «Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau.» Oder so ein kleines Reich des Bösen, wie es die Alternative für Deutschland (AfD) in der Begegnungsstätte Heideruh in Buchholz bei Hamburg wähnt. In dem Wohn- und Ferienheim, nach 1945 «von Antifaschisten für Antifaschisten» gegründet, scheinen allerlei Linke ihre teuflischen Ideen zu einer gefährlichen roten Suppe zusammenzurühren. Diesen Eindruck vermittelt ein Schreiben, in dem der AfD-Kreisverband Harburg die Stadt Buchholz fragt, ob sie Heideruh fördert.
Ob der Kommune bekannt ist, dass Heideruh «eine »Anlaufstelle für extremistische Organisationen« sei , will die Partei wissen und nennt Beispiele: die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), die DKP und auch den Deutschen Freidenkerverband (DFV). Die AfD versteigt sich damit in eine ganz eigene Extremismus-Diagnose, denn: Niedersachsens Verfassungsschutz, wohl kaum zurückhaltend beim Einstufen »verdächtiger« Gruppen als extremistisch, erwähnt in seinem aktuellen Jahresbericht den VVN nicht einmal am Rande. Schon gar nicht die Freidenker.
Als äußerst verwerflich erachtet es die Kreis-AfD offenbar, dass der Trägerverein von Heideruh, immerhin Mitglied im renommierten Paritätischen Wohlfahrtsverband, einen Aufruf zur Liebknecht-Luxemburg-Demo in Berlin unterschrieben habe. Um der Stadt deutlich zu machen, wie schlimm diese Veranstaltung ist, nennt die Rechtspartei drei Namen: Lenin, Stalin und Mao. Transparente mit ihrem Konterfei seien auf der LL-Demo mitgetragen worden! Auch auf ein antifaschistisches Jugendcamp, das zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf Heideruh ausgerichtet wurde, richten die Rechtspopulisten ihre Zeigefinger.
Wenn all dieses der Stadt nicht bekannt sein sollte, schreibt die AfD sinngemäß, so möge die Kommune erklären, wie sie sich »in Zukunft die Zusammenarbeit mit diesen offensichtlich undemokratisch gesinnten Kräften« vorstellt. Die Stadt hat mittlerweile geantwortet. Kurz, nüchtern, emotionslos. Sie habe keine offiziellen Kontakte zu Heideruh, unterstütze den Verein nicht finanziell, die politische Ausrichtung sei ihr bekannt.
Die Alternativler schäumen im Internet weiter gegen Heideruh, versuchen dabei unter anderem, den Extremismusvorwurf gegen den VVN zu rechtfertigen, etwa mit dem Hinweis: Diese Organisation sei bis 1989 von der SED finanziert worden, und: »Der SED kann man vieles vorwerfen, aber bestimmt nicht, dass sie demokratischer Gesinnung war. Der VVN hat also für den Gegner gearbeitet.« Auch ein Besuch bei »nd« ist in den Augen der AfD Harburg bedenklich, schreibt sie doch auf ihrer Homepage: Im Programm der Heideruh fänden sich Teilnahmen am Pressefest von »Neues Deutschland«. Und die Rechtspartei mahnt: »Diese Zeitung war die Parteizeitung der SED und nennt sich heute ›Sozialistische Tageszeitung‹«.
Es sei ein Unding, wie die AfD mit ihren Anwürfen gesellschaftlich wertvolle Organisationen diskriminiere, betonte Heidenau-Geschäftsführerin Bea Trampenau gegenüber »nd«. Sie sieht in den Vorstößen der Partei gegen das Heim den Versuch, sich im Raum Harburg zu positionieren, denn: Bislang habe die AfD dort »noch keinen Fuß auf den Boden bekommen«.
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