Pflanzendünger aus der Pipeline

In Holland kommt CO2 von der Ölraffinerie ins Gewächshaus

In manchen Gemeinden Südhollands reiht sich Gewächshaus an Gewächshaus. Darin gedeihen das ganze Jahr über Gemüse, Schnittblumen und andere Zierpflanzen. Diese brauchen zum Wachsen Kohlendioxid - je mehr, desto besser. Viele Gewächshausbetreiber werfen selbst im Hochsommer noch Gasöfen an. Sie lassen die Wärme verpuffen und nutzen nur das CO2-reiche Abgas, um damit die Produktivität ihrer Plantagen zu steigern. Was den Landwirten nutzt, schadet aber dem Klima. Viel sinnvoller wäre es, das Pflanzenwachstum mit jenem Kohlendioxid anzukurbeln, das die Industrie in großen Mengen in die Atmosphäre bläst. Ende der 90er Jahre kamen die holländischen Ingenieure Hans Tiemeijer und Jacob Limbeek auf die Idee, das CO2 aus Erdölraffinerien abzuzweigen und in die Gewächshäuser zu leiten. Ein wenig Glück half ihnen auf die Sprünge. Bei ihren Recherchen fanden die Ingenieure nicht nur heraus, dass der Öl-Riese Shell bei Pernis, westlich von Rotterdam, eine moderne Raffinerie betreibt, wo sich das Klimagas aus dem Produktionsprozess leicht abzweigen ließ. Ganz in der Nähe liegt auch eine ausrangierte Öl-Pipeline, die 85 Kilometer quer durch die Gewächshauslandschaften Süd-Hollands bis nach Amsterdam führt. Es lag nahe, mit der Leitung CO2 von der Raffinerie in die Gewächshäuser zu leiten. Mit diesem Konzept in der Tasche machten sich Limbeek und Tiemeijer auf die Suche nach Investoren. Anfangs winkten potenzielle Kapitalgeber ab. Kosten und Risiken der Installation des Verteilernetzes erschienen zu hoch. Doch mit der Zeit stiegen die Energiepreise und auch die Bereitschaft von Firmen, in Klimaschutzvorhaben zu investieren. 2004 stieß Limbeek schließlich beim Baukonzern VolkerWessels und bei der Linde-Tochter Hoek Loos auf offene Ohren. Die Firmen starteten ein Joint Venture und stellten zusammen 100 Millionen Euro bereit, um die nötigen Kompressorstationen zu bauen, die alte Pipeline zu reaktivieren und das Verteilernetz zu den Gewächshäusern zu verlegen. Im September 2005 nahm das Projekt unter dem Namen Ocap seinen Betrieb auf. Die Abkürzung steht für »Organisches CO2 für die Assimilation in Pflanzen«. Einige Dörfer und Gemeinden im Umkreis von 20 Kilometern sind bereits an das Liefernetz angeschlossen. Weitere sollen noch in diesem Jahr folgen. 500 Einzelabnehmer zählt Ocap schon. Sobald weitere Abschnitte der Pipeline genutzt werden können, sollen bis zu 1400 Kunden beliefert werden. 170 000 Tonnen werden dann pro Jahr durch die Pipeline fließen - knapp ein Fünftel der CO2-Produktion der Raffinerie. Dies entspricht einer Einsparung von 95 Millionen Kubikmetern Erdgas, die zuvor in den Gewächshausöfen verfeuert wurden. Jacob Limbeek, heute Geschäftsführer von Ocap, sieht nur Gewinner: »Shell wird seine CO2-Emissionen auf elegante Weise los. Die Gemüsebauern können im Sommer ihre Öfen abstellen und sparen rund 25 Prozent. Und die Pflanzen wachsen besser.« Zudem sei das aus der Raffinerie gelieferte CO2 nahezu rein, während Abgase der Gewächshausöfen Spuren von Erdgas und Stickoxiden enthalten, auf die manche Pflanzen empfindlich reagieren. Einer der Ocap-Kunden ist Marcel Boonenkamp, ein Rosenzüchter aus dem Örtchen Berkel en Rodenrijs. Auch er warf früher im Sommer den Erdgasofen an. Jetzt freut er sich über die umweltfreundliche Pipeline-Lieferung. »Durch die CO2-Düngung wachsen die Rosen deutlich schneller, sie sind standfester und bleiben später in der Vase länger frisch. Für diese Qualität bekomme ich höhere Preise«, berichtet er. In intensiv betriebenen Gewächshauskulturen ist die Kohlendioxid-Anreicherung der Luft seit Jahren üblich, sagt Hartmut Stützel, Professor für Gartenbau an der Universität Hannover. Während die Erdatmosphäre gegenwärtig rund 350 ppm (parts per million) Kohlendioxid enthält, wird die Konzentration in den Treibhäusern auf das Zwei- bis Dreifache davon erhöht. Das kurbelt den Stoffwechsel der Pflanzen an, sagt Stützel. Um zu wachsen, benötigen sie viel Energie in Form von Zucker. Der wird bei der Photosynthese gebildet, wenn sich unter dem Einfluss von Licht das CO2 mit Wasser verbindet. Dabei gilt die Regel: Sind genügend Licht und Wasser vorhanden, wird das verfügbare CO2 für die Pflanzen zum Wachstumsfaktor. Darum können bei verdoppelter Konzentration die Gewächshausernten um bis zu 40 Prozent größer ausfallen. Auf die CO2-Düngung zu verzichten, leistet sich heute keiner der professionellen Gewächshausbetreiber in Holland mehr. »Wenn die Sonne scheint, das Gewächshaus aber geschlossen ist, um eine höhere Temperatur zu halten, verbrauchen die Pflanzen oft so viel CO2, dass die Konzentration weit unter den normalen Wert der Außenluft fällt«, sagt Stützel. Ohne die künstliche Einleitung käme es dann zu Ertragseinbußen. Solche Argumente muss Limbeek bei seinen Kunden nicht mehr ins Feld führen. Die Nachfrage nach dem Raffinerie-Gas ist so hoch, dass Ocap bereits nach geeigneten Standorten A...

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