König Maler
»Wir brauchen da sicher zwei bis drei Tage«, sagte der Maler, den ich wegen einer komplizierten Gemengelange aus Altanstrichen und porösen Untergründen beauftragt hatte. »Erst spachteln wir nach, dann verputzen wir die Ecke da neu und am Ende streichen wir alles zwomal.«
Leichtsinnigerweise ließ ich mich auf einen Festpreis ein. Ein fataler Fehler, aber noch wusste ich nicht, dass ich in eine sprachliche Falle getappt war, und das als Schriftsteller!
»So, da sind wir«, sagte der Maler bald darauf morgens um sieben. Ich schaute ihn irritiert an. »Sind Sie allein?« Ich hatte mit mindestens zwei Malern gerechnet. - »Klar, ich bin allein.« Okay, da hatte ich mich wohl nur verhört, mein Sprachzentrum schlief wohl noch. »Schaffen Sie das denn allein?« - »Klar, wir können sofort loslegen.«
Moment? Schon wieder »wir«. Oder war es das einschließende Krankenschwester-»Wir« à la »Wir nehmen dann jetzt mal brav unsere Tabletten.«?
»Soll ich etwa mitmachen?«, fragte ich. Jetzt guckte der Maler irritiert aus der weißen Wäsche: »Nö, nö. Das machen wir schon allein.« - Eine Aussage, die mich beruhigte und verstörte, gleichzeitig. Der Maler ging unterdessen zur Tür. »Ich hol mal kurz das Abdeckflies. Das legen wir dann überall aus.« - »Brauchen Sie da meine Hilfe?« - »Nee, das kriegen wir schon hin.« - Okay, kein Zweifel. Der Mann sprach »wir«. Nicht nur das. Als er zurückkam, schaute er sich im Raum um und sagte zu mir: »Ihr seid ja gut vorangekommen, verputzt habt ihr schon.«
Ich schaute mich um: War irgendjemand mit mir aufgestanden, den ich vergessen hatte? Nö. Ich musste an den Monty-Python-Sketch von der Besteigung der zwei Kilimandscharos denken. Sollte ich den Maler bitten, sich mal ein Auge zuzuhalten und mich dann noch einmal durchzuzählen?
»Ja, habe ich«, erklärte ich und fügte hinzu: »Hab ich ganz allein gemacht.« - »Habt ihr gut gemacht. Gut, wir legen dann mal los.«
Und jetzt verstand ich! Der Maler sprach von sich im Pluralis Majestatis. Nun gut, man soll das Handwerk ehren, aber muss es gleich so absolutistisch sein? Erst hielt ich es für einen kuriosen Tick, doch als der Maler nach sechs Stunden verkündete »Wir sind dann mal fertig!«, war mir klar: Das war eine sehr lukrativer Masche, Handwerk hat goldene Krone, das »Wir« entscheidet.
»Festpreis ist Festpreis«, motzte der Maler, als ich ihn zur Rede stellte. »Ob wir das allein oder zu zweit machen, ob wir 10 oder 100 Stunden brauchen, kann Ihnen doch egal sein.« - War mir aber nicht egal, denn so war der Maler auf gut 100 Euro Stundenlohn gekommen. Da hätt’ ich mir auch einen Anwalt zum Malern bestellen können. Als ich den Maler bei MyHammer negativ bewertete, beschwerte er sich sofort: »Wieso macht Ihr das? Wieso bewertet Ihr uns negativ?«
»Ganz einfach«, sagte ich, »ich gebe dem König, was des Königs ist.«
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