Ex-BER-Chef bekommt eine Million

Landgericht verurteilt Flughafengesellschaft zu weiterer Gehaltszahlung an Rainer Schwarz

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine weitere schwere Schlappe für die Flughafengesellschaft: Ihr gefeuerter Chef bleibt bis Mai 2016 auf ihrer Gehaltsliste.

Die Flughafengesellschaft hat einen neuen Geschäftsführer - und es ist der alte. Zumindest bekommt Rainer Schwarz sein Geschäftsführergehalt weiter gezahlt bis zum Mai 2016, dem Zeitpunkt, an dem sein Vertrag regulär geendet hätte. Das sind monatlich 29 263 Euro für 35 Monate, insgesamt 1,026 Millionen Euro. Außerdem erhält er weitere 139 000 Euro als betriebliche Altersversorgung. Das entschied das Landgericht Berlin am gestrigen Donnerstag.

Sollte die Flughafengesellschaft nicht noch in Berufung gehen und das Urteil kippen können, muss Rainer Schwarz, der gestern im Gericht nicht erschien, praktisch keine finanziellen Konsequenzen tragen aus dem BER-Debakel. Nachdem die Eröffnung des Flughafens mehrmals verschoben werden musste, hatte ihn der Aufsichtsrat Anfang 2013 zunächst freigestellt und ihm im Juni 2013 fristlos gekündigt. Nach Auffassung des Gerichts allerdings nicht rechtzeitig, womit die Kündigung unwirksam sei, wie Richter Björn Retzlaff in der Urteilsbegründung erklärte. Er betonte, dass es dem Gericht nicht darum gegangen sei zu klären, ob Schwarz die Nichtinbetriebnahme des Flughafens im Juni 2012 verschuldet hat. Der Fokus habe vielmehr auf der Zeit ab Anfang 2012 gelegen, als fest stand, dass die »Schlacht« um die BER-Eröffnung schon verloren war. Es sei somit um die »Kommunikation in der Endphase« gegangen und um die Frage, ob Schwarz die Reißleine hätte früher ziehen müssen.

Das Gericht prüfte insbesondere, ob Schwarz seine Informationspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat verletzt hat. Das konnte es nicht erkennen, da das Kontrollgremium bereits ab Februar 2012 gewusst habe, dass der BER nicht mit regulärem Brandschutz in Betrieb gehen kann, sondern nur noch mit Behelfslösungen. Deshalb habe der Geschäftsführer auch nicht jede Kritik, sondern nur »qualitativ neue Gefährdungslagen« mitteilen müssen. Das sei geschehen, als die zuständige Baubehörde am 3. Mai mitteilte, das der Flughafen so nicht eröffnet werden kann.

Die fristlose Kündigung stützte sich auch auf ein Schreiben der Beratungsgesellschaft McKinsey vom März 2012, in dem auf die schweren Probleme beim Probelauf hingewiesen wurde. Der Aufsichtsrat soll davon erst später unterrichtet worden sein, wann genau, darüber stritten sich die Parteien während des Prozesses. Für das Gericht war dies jedoch nicht relevant, weil der Aufsichtsrat davon jedenfalls noch 2012 erfuhr. Warum aber dann erst die fristlose Kündigung im Juni 2013, fragten sich die Richter. Die Kündigung sei somit schlicht zu spät erfolgt, so Retzlaff.

Auch weitere Pflichtverletzungen des Geschäftsführers etwa durch eine verspätete Terminabsage konnte das Gericht nicht feststellen. Die Entscheidung, die Eröffnung nicht schon nach Erhalt des McKinsey-Briefes im März abzusagen, hielt Retzlaff für vertretbar. Auch durch das Vorziehen der Terminabsage wäre nicht viel gewonnen worden. Nur die Beschleunigungsmaßnahmen hätte man sich gespart, »sicher einige Sümmchen«. Im Rückblick sei der Kampf um die Eröffnung im März 2012 verloren gewesen, konstatierte Retzlaff. Man könne aber nicht ausschließen, »dass es da noch Hoffnung gab, vielleicht mit Behelfsmaßnahmen die Eröffnung hinzubekommen«. Das hat bekanntlich nicht geklappt, und zwei Monate später, am 7. Mai 2012, kam die endgültige Absage.

BER-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit wollte das Urteil nicht kommentieren. Er habe aber die Flughafengesellschaft aufgefordert zu prüfen, ob gegen das Urteil Berufung eingelegt werden kann. Die LINKE-Abgeordnete Jutta Matuschek, Mitglied im Flughafenuntersuchungsausschuss, nannte die Entscheidung »eine Ohrfeige für den Aufsichtsrat«. Demnach habe dieser gewusst, dass der BER nicht ordentlich hätte eröffnet werden können. Dies werde im Untersuchungsausschuss weiter zu hinterfragen sein. Es könne aber nicht sein, dass ein Geschäftsführer »keinerlei Verantwortung für seine schlechten Leistungen und hoch riskanten Entscheidungen zu tragen hat, so lange nur die geringste Hoffnung auf Zielerreichung besteht. «

Schwarz ist in jedem Fall gut versorgt. Am 1. Dezember wird er Geschäftsführer des Flughafens Rostock-Laage. Sollte das Urteil vom Donnerstag rechtskräftig werden, würde das Rostocker Gehalt mit den Ansprüchen gegenüber seinem Berliner Ex-Arbeitgeber verrechnet, sagte sein Anwalt Peter Rölz.

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