Maulkorb für Gefangene

US-Bundesstaat Pennsylvania will unter dem Label »Opferschutz« Mumia Abu-Jamal zum Schweigen bringen

  • Birgit Gärtner
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen das Gesetz des US-Bundesstaates Pennsylvania, das Gefangenen verbietet, sich in Medien oder öffentlich auf Kongressen zu äußern, regt sich Widerstand. Das Gesetz zielt auf Mumia Abu-Jamal.

Gegen ein neues »Maulkorb«-Gesetz des US-Bundesstaates Pennsylvania für Gefangene formiert sich Protest. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union kündigte eine Verfassungsklage an und es wurde eine Internetpetition gestartet. Zudem fand am Samstag in Philadelphia eine Protestkundgebung statt.

Normalerweise werden Gesetzesvorlagen hinter verschlossenen Türen verhandelt und in aller Stille unterzeichnet. Vor allem dann, wenn es sich bei den fraglichen Gesetzen um schnell durchgepeitschte Sondergesetze handelt. Nicht so im Bundesstaat Pennsylvania. Der amtierende Gouverneur Tom Corbett von den Republikanern machte aus der Unterzeichnung des »Revictimization Relief Act«, mit dem angeblich der Opferschutz von Gefängnisinsassen gewahrt werden soll, eine öffentliche Show - eine Anti-Mumia-Show.

Denn im Grunde geht es bei dem unlängst verabschiedeten Gesetz um nichts anderes, als den seit 1981 wegen angeblichen Polizistenmordes inhaftierten afro-amerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal zum Schweigen zu bringen. Betroffen sind aber letztlich alle Gefangenen, die in den Haftanstalten von Pennsylvania einsitzen. Von denen die Mainstream-Presse Mumia Abu-Jamal zufolge aber ohnehin keine Notiz nimmt.

Was aussah wie ein - wenn auch schlechtes - Straßentheater, war ein hochoffizieller Staatsakt. Gouverneur Corbett unterzeichnete den »Revictimation Relief Act«, zu Deutsch »Gesetz zur Verhinderung der Schikanierung von Gefangenen« auf denkwürdige Weise. Er ließ eine Bühne aufbauen - und zwar genau an jenem Ort in Philadelphia, an dem in der Nacht zum 10. Dezember 1981 der Polizist Daniel Faulkner unter nach wie vor ungeklärten Umständen ums Leben kam. Auf der Bühne unterzeichnete Corbett das Gesetz. Anwesend war auch die Witwe Maureen Faulkner. Das sind überdeutliche Zeichen, dass dieses Sondergesetz im Prinzip gegen Mumia Abu-Jamal gerichtet ist.

Abu-Jamal war 1981 der preisgekrönte Vorsitzende der Vereinigung Schwarzer Journalisten Philadelphias und hatte sich sich in den USA aufgrund seiner Berichterstattung über rassistische Polizeiübergriffe einen Namen als »Voice of the Voiceless« - Stimme der Sprachlosen - gemacht. In der Nacht von Faulkners Tod war er als mutmaßlicher Täter verhaftet und in einem von Amnesty International stark kritisierten Verfahren zum Tode verurteilt worden. Knapp 30 Jahre verbrachte er in der Todeszelle, größtenteils in Waynesburg, Pennsylvania. Im Dezember 2011 wurde die gegen ihn verhängte Todesstrafe endgültig in lebenslange Haft umgewandelt und Abu-Jamal in das Gefängnis von Frackville verlegt.

Kürzlich war er einer Bitte der Studierenden des Goddard-College in Vermont, das er selbst einst besucht hatte, nachgekommen, die Rede zu ihrer Abschiedsveranstaltung zu halten. Diese wurde aufgezeichnet und bei der Feier abgespielt. Dieser Vorgang brachte Politik und Justiz in Pennsylvania so sehr in Rage, dass in kurzer Zeit besagte Gesetzesvorlage ausgearbeitet, durchs Parlament gepeitscht und öffentlich unterzeichnet wurde. Künftig also sind Mumia Abu-Jamal öffentliche Auftritte wie der im Goddard-College nicht mehr möglich. Und durch das »Mumia-Law«, wie Abu-Jamal das Gesetz selbst nennt, haben alle Gefangenen in Pennsylvania einen Maulkorb bekommen.

In den 1990er Jahren war bereits ein anderes Sondergesetz erlassen worden - ein Mumia-Gesetz, das sich auf die Gefangenen in den Todestrakten bezog. Der Auslöser: ein Film der Journalistin Heike Kleffner über den Fall Mumia Abu-Jamal. Der Film mit dem Titel »Hinter diesen Mauern« hatte international Beachtung gefunden. In der Folge wurde ein Gesetz erlassen, nach dem Gefangene im Todestrakt nicht mehr fotografiert, gefilmt und keine Sprachaufnahmen von Gefängnisbesuchern gemacht werden dürfen. Dies wird jetzt quasi unter dem Label »Opferschutz« auf alle Gefangenen übertragen.

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