Alles für die Katz’

Von Europäern eingeschleppte Arten dezimieren Beuteltiere in Australien. Verwilderte Haustiere wurden inzwischen zur Hauptbedrohung. Von Michael Lenz

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder ist vom Artensterben zu hören und zu lesen. Zerstörung der Lebensräume von Tieren und der Klimawandel sind die Ursachen, verursacht von uns Menschen. In Australien machte der Mensch in seiner Gestalt als europäischer Einwanderer zusätzlich durch den Import von Tieren der heimischen Fauna das Überleben schwer. Die verwilderten Nachfahren eingeschleppter Katzen und Füchse fressen sich munter durch Australiens Tierwelt. Millionen verfressene Kaninchen knabbern bedrohten Arten wie dem Bilby den letzten Grashalm weg. Und eine giftige Kröte macht Vögeln und Schlangen den Garaus.

Seit dem Beginn der europäischen Einwanderung vor über 200 Jahren sind »down under« 29 Tierarten ausgestorben, darunter der berühmte Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus), auch bekannt als Tasmanischer Tiger. Unter den verschwundenen Spezies sind überdies Bürstenkängurus (Bettongs), Nasenbeutler (Bandicoots), Kaninchenkängurus (Potoroos), Wallabies und Kaninchennasenbeutler (Bilby). Ein Drittel aller Arten, die weltweit in den letzten 500 Jahren ausgestorben sind, war nur in Australien heimisch.

Andere Tierarten auf dem fünften Kontinent halten nicht mehr lange durch. Etwa 55 endemische Landsäugetiere - 20 Prozent des australischen Gesamtbestands - gelten durch Habitatverluste, Klimaveränderungen und Waldbrände als gefährdet. Als besonders bedrohlich erwiesen sich aber verwilderte Hauskatzen, wie John Woinarski in einer unlängst im »Journal for applied Ecology« veröffentlichten Studie darlegt.

In einem Feldversuch zeigte der Biologe von der Charles Darwin Universität Casuarina in Darwin, dass wilde Katzen kleine Landsäugetiere ausrotten können. Woinarski hatte in der tropischen Savanne des Northern Territory zwei je 12,5 Hektar große Versuchsfelder angelegt. Beide wurden in je zwei Hälften untergliedert - zwei davon waren katzensicher, in die beiden anderen konnten die wilden Felis sylvestris catus eindringen.

In jede der vier Abteilungen setzten die Forscher 20 Exemplare der einheimischen Rattenart Rattus villosissimus. Am Ende der 18-monatigen Versuchsdauer waren in den katzensicheren Abteilungen keine Ratten zu Schaden gekommen. In den anderen waren sie ausgerottet. In einem der Felder mit häufigen Katzenbesuchen war das Ende der Ratten in weniger als drei Monaten besiegelt. »Das ist die erste Studie, die den direkten Beweis liefert, dass Katzen fähig sind, kleine Säugetiere in einem kontinentalen Setting auszurotten«, betont Woinarski.

Die Umweltorganisation Australian Wildlife Conservancy (AWC) schätzt, dass jährlich 75 Millionen Tiere Beute der rund 15 Millionen wilden Katzen werden. Die vielen Waldbrände scheinen das Werk der verwilderten Hauskatzen noch zu begünstigen. Durch die Feuer verlieren die kleinen Tiere ihren natürlichen Schutz, so die Experten von AWC, und sind so hilflos den Katzen ausgeliefert.

Ein anderer munterer Killer ist die Aga-Kröte. Diese Krötenart wurde um 1935 als biologische Wunderwaffe gegen einen Schädling in den Zuckerrohrplantagen im tropischen Queensland eingeführt. Die Kröte scherte sich aber nicht um ihre Stellenbeschreibung und widmete sich statt der Schädlingsbekämpfung lieber ihrer Vermehrung und ging auf Wanderschaft. Inzwischen ist sie weit im Westen angekommen. Anders als die Katzen hat die Kröte natürliche Feinde: Vögel und Schlangen. Dumm nur, dass die Kröte giftig ist. So wurde manche Art an den Rand der Existenz getrieben.

Aber die Natur schlägt zurück. Greifvögel wie etwa der Schwarzmilan haben inzwischen offenbar gelernt, sich bei Angriffen auf die Kröte auf die Körperunterseite zu konzentrieren und so den Kontakt mit den giftigen Drüsen auf dem Rücken von Buffo marinus zu vermeiden. Von einigen Schlangenarten berichten Wissenschaftler, dass sie kleinere Kiefer entwickelt hätten, so dass sie nur noch ungiftige Jungkröten verzehren können.

Auch die gegenwärtige, eigentlich ausgesprochen umwelt- und wissenschaftsfeindliche australische Regierung will das Artensterben zwischen Perth und Brisbane, Darwin und Sydney nicht mehr tatenlos hinnehmen. Im Juli wurde der Ex-Diplomat Gregory Andrews aus dem Umweltministerium zum ersten Beauftragten für bedrohte Tierarten ernannt. Hoffentlich ist der nicht für die Katz’.

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