Deutsche Löhne sind nur Mittelmaß
Studie: Heimische Arbeitskosten rangieren im EU-weiten Ranking auf Platz acht
Der deutschen Wirtschaft ist merklich die Luft ausgegangen. Die Bundesbank prognostiziert in ihrem aktuellen Monatsbericht »eine recht schwunglose Wirtschaftsentwicklung in Deutschland mindestens bis zum Jahresende 2014«. Doch Schuld daran sind nicht die vermeintlich zu stark steigenden Löhne hierzulande, wie eine neue Studie des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zeigt. Denn im Schnitt sind Arbeitskosten in Deutschland immer noch günstiger als in allen anderen Hochlohnländern der EU.
Dabei könnten höhere Löhne dazu beitragen, die Wirtschaft zu beleben. Hier zeigt sich nämlich der Doppelcharakter, den diese haben: Einerseits seien Löhne Kosten für die Unternehmen, wie IMK-Direktor Gustav Horn bei der Vorstellung seiner Studie am Montag erklärte. Andererseits seien sie jedoch Einkommen für die privaten Haushalte. Und diese werden mit ihrem privaten Konsum auch nach Ansicht der Bundesbank in naher Zukunft die einzig nennenswerten Wachstumstreiber seien.
Horn fordert deswegen Lohnerhöhungen von im Durchschnitt über drei Prozent. Befürchtungen wie die des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, höhere Arbeitskosten könnten die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen schwächen, teilt Horn nicht. »Die deutsche Wettbewerbsfähigkeit ist sehr hoch. Nachholbedarf hat Deutschland bei der Lohnentwicklung«, so der Konjunkturexperte.
Mit durchschnittlich 31,30 Euro pro Stunde (inklusive aller Lohnnebenkosten wie den Arbeitgeberanteilen an den Sozialbeiträgen und Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung) gehören die Deutschen nicht gerade zu den Spitzenverdienern in der EU. Zwar verdient man damit hierzulande noch mehr als in Großbritannien, den südeuropäischen Krisenländern und den osteuropäischen EU-Ländern. Doch landen die deutschen Gehälter im Ranking der Staatengemeinschaft nur auf Platz acht und sind damit niedriger als in den nordeuropäischen Staaten und den Beneluxländern. Am meisten wird dabei noch in Dänemark gezahlt, das durchschnittliche Arbeitskosten von 41,40 Euro aufweist.
Trotz der massiven Lohnkürzungen in den Krisenländern wird sich an diesem Platz Deutschlands im EU-Mittelfeld zunächst wohl wenig ändern. Denn die Arbeitskosten wuchsen im ersten Halbjahr 2014 in Deutschland (1,1 Prozent) schon wieder langsamer als im europaweiten Mittel (1,3 Prozent). Damit kehrt Deutschland nach relativ guten Tarifabschlüssen für die Arbeitnehmer in den letzten beiden Jahren zu einer Entwicklung zurück, wie sie seit der Jahrtausendwende vorherrscht. In diesem Zeitraum wuchsen die Arbeitskosten nämlich lediglich um zwei Prozent im Jahr, während es im gesamten Euroraum 2,6 Prozent waren.
Besonders eklatant ist hierzulande der Unterschied zwischen den Gehältern im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich. In keinem anderen EU-Land ist er so hoch wie in Deutschland. Er beträgt gut 20 Prozent oder 7,50 Euro die Stunde und wird noch weiter zunehmen. So stiegen die Arbeitskosten im Dienstleistungssektor im Jahr 2013 nur um minimale 0,3 Prozent. Währenddessen betrug der Zuwachs im verarbeitenden Gewerbe 3,3 Prozent. So kommen die Arbeitnehmer in der Indus-trie mit Arbeitskosten von 36,20 Euro pro Stunde im EU-weiten Ranking noch auf einen relativ guten Platz vier.
Die eigentliche Lohnhöhe ist jedoch gar nicht so entscheidend für die internationale Wettbewerbsfähigkeit wie die Lohnstückkosten. Diese setzen nämlich die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung. In Deutschland sind die Lohnstückkosten seit der Jahrtausendwende im Schnitt um lediglich 0,9 Prozent im Jahr gestiegen - und damit deutlich langsamer als im Euroraum, der in diesem Zeitraum eine Zuwachsrate von 1,7 Prozent aufwies.
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