Polizisten im Widerstand
Fachhochschule befasste sich mit der Abneigung der Beamten gegen Reformen
Der märkische Polizist: einerseits strenge Respektsperson, die dem Bürger selbstsicher und maskulin gegenüber tritt, andererseits beim Innenminister weinerlich um Thermounterhosen bettelt, um im Dienst nicht zu frieren. Wegen des krisensicheren Arbeitsplatzes ist er zur Polizei gekommen, an Veränderungen hat er kein Interesse, und wenn sie sich nicht verhindern lassen, dann schimpft er in einer Tour. Er kann gar nicht anders. Schließlich ist er Brandenburger, also ein Meckerkopf.
Das sind Vorurteile und Beobachtungen. Dr. Jochen Christe-Zeyse hat dergleichen gelesen, gehört und gesehen.Christe-Zeyse ist Fachmann. Er ist Vizepräsident der Fachhochschule der Polizei in Oranienburg. Die Bildungsstätte lud am Donnerstag zu einer wissenschaftlichen Tagung, die sich - grob vereinfacht gesagt - mit dem vermeintlichen oder tatsächlichen Reformunwillen der Polizeibeamten beschäftigte.
Die märkischen Polizisten mussten im Zuge der 2011 angegangenen Polizeireform einige Veränderungen hinnehmen. Von einstmals mehreren Polizeipräsidien blieb beispielsweise nur eins für das gesamte Bundesland übrig. Es gab heftige Diskussionen um die beabsichtigte Schließung von Wachen und die Anhebung des Pensionsalters. Dazu kommt der Personalabbau. 11 000 Polizisten hat es in Brandenburg vor 15 Jahren gegeben, Heute sind es nur noch 8200. Der Koalitionsvertrag von SPD und LINKE nennt eine Zahl von mindestens 7800. Mindestens - das bedeutet: Es werden möglicherweise noch 400 Stellen abgebaut, vielleicht aber auch nicht. Natürlich wird kein Polizist seine Arbeit verlieren. Es ist nur die Frage, in welchem Maße alte Kollegen durch junge Kräfte ersetzt werden.
Aber kann die neue Organisationsstruktur verhindern, dass die Arbeitsbelastung steigt, oder bringen die Neuerungen nur zusätzlichen Ärger? Die Einführung eines interaktiven Funkstreifenwagen lasse sich leichter bewerkstelligen als eine Personalreduzierung, weiß Christe-Zeyse. In fast allen Bundesländern habe es in den vergangenen fünf oder zehn Jahren Polizeireformen gegeben. Analysen zeigten aber, dass bei 50 bis 80 Prozent der Reformen die damit angestrebten Ziele nur teilweise oder überhaupt nicht erreicht worden sind. Die Stimmung unter den Beamten sei besorgniserregend schlecht geworden, berichtete Christe-Zeyse. Selbst gegen an sich vernünftige Veränderungen rege sich Widerstand.
Der Vizepräsident sprach vom Faktor Mensch. Vor 100 Jahre sei Bürokratie für eine Maschine gehalten worden, die auf Anweisungen von oben wie am Schnürchen läuft. Doch Versuche mit der Beleuchtung von Fabrikhallen erbrachten seltsame Resultate. Bei den Arbeiterinnen, deren Arbeitsplätze versuchsweise besser beleuchtet wurden, stieg die Produktivität - bei den Kolleginnen mit schlechterer Beleuchtung jedoch auch. Und als alle wieder schlechteres Licht hatten, stieg die Produktivität rätselhafterweise noch einmal. Es dauerte eine Weile, bis die Wissenschaftler darauf kamen, dass sie selbst der Grund dafür waren. Allein ihr Interesse an der Lage der Fabrikarbeiterinnen motivierte die Frauen.
Doch den idealen Chef, der immer richtig handelt, den gibt es nicht. Nach der reinen Lehre soll ein Vorgesetzter bei der Polizei charismatisch, führungsstark, entscheidungsfreudig, kompetent und ehrlich sein, führte Christe-Zeyse aus. Doch Führungskräfte der Polizei sind auch bloß Menschen. Sie haben Schwächen. Wenn es anders wäre, dann wären sie nicht im öffentlichen Dienst, sondern anderswo - und würden dort »richtig Kohle machen«, scherzte der Vizepräsident.
Später ergänzte der Unternehmensberater Lars Förster in seinem Vortrag, den »Helden der Menschenführung« habe er in der Wirtschaft auch noch nicht getroffen. Förster erklärte, wenn Motivationstrainer suggerieren, Neuerungen seien grundsätzlich gut und das Alte schlecht, dann provoziere dies Widerstand gegen das Abwerten gewohnter Abläufe, die in ihrer Zeit richtig gewesen sind.
Den Wandel aushalten, sich ein neues Ziel stellen und einen Sinn in der Veränderung suchen, dazu ermunterte Professorin Madeleine Bernhardt.
Torsten Herbst vom Büro Beratung und Strategie im Polizeipräsidium wundert sich nicht, dass Maßnahmen bei der Polizeibasis nicht ankommen, wenn sie auf Einsparungen abzielen. Um die Bürger zu schützen, sei man schließlich Polizist geworden, nicht wegen der Effizienz.
Für Innenstaatssekretär Arne Feuring ist keineswegs erwiesen, dass die Stimmung der Beamten tatsächlich schlechter geworden ist. Das lasse sich nicht messen, ob sie rüher besser war, und wie die Stimmung jetzt wäre, wenn es die Polizeireform nicht gegeben hätte. Feuring war kürzlich noch Polizeipräsident. Erst seit zwei Wochen ist er Staatssekretär. Seitdem muss er viele Grußworte halten, und es fehlte ihm die Zeit, die gesamte Tagung zu verfolgen. Dass bedauerte Feuring. Das Thema sei wichtig für jede Verwaltung. Veränderungen habe es immer gegeben, aber nicht so häufig wie heutzutage: Forstreform, Polizeireform, Gesundheitsreform, Atomausstieg... Es entstehe Unruhe, aber diese setze Kreativität frei. »Wenn es uns gelingt, Widerstände, die zwangsläufig entstehen, produktiv nutzbar zu machen, dann sind wir einen großen Schritt weiter«, meinte Feuring.
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