»Gorbatschow war zu naiv«
Der frühere Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärte seine Russland-Haltung
In eher gedrückter Stimmung gingen am Montagabend die Zuhörer einer Potsdamer Podiumsdiskussion auseinander, bei der Matthias Platzeck für eine Neubesinnung in der Russland-Politik warb. Zeitgleich kreisten in den Medien Äußerungen, wonach Platzecks seinen Einfluss auf den »Petersburger Dialog« verlieren könnte.
Der frühere brandenburgische Ministerpräsident bezeichnete die Lage im Osten Europas als »weit gefährlicher, als sie den meisten jetzt erscheint«. Er warb für Ehrlichkeit in dieser Frag: »Russland war uns immer am liebsten, wenn es am schwächsten war.« In der unter anderem von der brandenburgischen Friedrich-Ebert-Stiftung vorbereiteten Veranstaltung wies Platzeck auf die »außergewöhnliche Versöhnungsleistung« hin, zu welcher die Völker der einstigen Sowjetunion bereit gewesen seien. »Gorbatschow war zu naiv«, sagte er mit Blick auf dessen Erwartungen 1990, dass sich die Nato nicht weiter auf Moskau zubewegen werde. Dies sei Gorbatschow vom bundesdeutschen Außenminister Hans Dietrich Genscher (FDP) mündlich zugesichert worden und der sowjetische Staatschef habe es geglaubt.
Das bislang hohe Ansehen Deutschlands bei den Russen befinde sich »im Sturzflug«, mahnte Platzeck. Sollte die Abneigung die Oberhand gewinnen, »wäre das verheerend«. Was das Tauziehen des Westens mit Russland betreffe, »geht es immer um Interessen«, unterstrich Platzeck. Er fragte, warum schon der Hinweis verboten sei, dass die Interessen der USA und Europas hier keineswegs deckungsgleich seien? Diese Debatte müsse man ungestraft führen dürfen. Die Besetzung der Krim könne nicht mehr ohne weiteres rückgängig gemacht werden, sagte Platzeck - und äußerte die Hoffnung, dass Russland und die Ukraine dies völkerrechtlich miteinander klären. Dass die Krim zu Russland gehöre, sei im Land Putins nahezu unumstritten. Vor Hunderten Jahren habe Zarin Katharina die Krim für Russland erobert. Seither sei die Halbinsel Bestandteil Russlands gewesen. Dazu, dass der Bruch des Völkerrechts durch Russland eine Folge der Vielzahl vorheriger Völkerrechtsbrüche des Westen sei, sagte Platzeck, auch wenn dies so stimme, sei hier nicht aufzurechnen nach der Methode, »wenn ihr das Recht brecht, dann dürfen wir das auch«. Wenn die Ukraine tatsächlich mit schweren Waffen in die von Separatisten kontrollierten Gebiete eindringen würde, dann würde die Reaktion Russlands nicht auf sich warten lassen, glaubt Platzeck.
Walther Stützle, einst Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, sprach von einer »medialen Hatz gegen Platzeck«. Das Nachrichtenmagazin »Spiegel« hatte berichtet, Platzeck solle seinen Einfluss auf den »Petersburger Dialog« verlieren. Dem habe Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf Drängen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zugestimmt. Der »Petersburger Dialog« war bislang eng mit dem von Platzeck geleiteten Deutsch-Russischen Forum verknüpft. Kritik gab es auch an dem Ko-Vorsitzenden des »Petersburger Dialogs«, dem letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière (CDU). Ihm wird gleichfalls ein angeblich zu unkritisches Verhältnis zu Russland vorgeworfen.
Dem »Spiegel« zufolge sprachen sich Bundestagsabgeordnete der Unionsfraktion sowie Marieluise Beck (Grüne) dafür aus, dass Stiftungen und andere gesellschaftliche Gruppen stärker am »Petersburger Dialog« beteiligt werden. Dem soll die Kanzlerin zugestimmt haben. Platzeck sagte dazu, dass sich das Kanzleramt hier in Dinge einmische, »die es nichts angehen«. Das Deutsch-Russische Forum sei ein privatrechtlicher Verein, der sich bemühe, Brücke zu schlagen und Verbindungen nicht abreißen zu lassen.
Die LINKE habe die Besetzung der Krim verurteilt, erklärte am Dienstag der Landtagsabgeordnete und bisherige Wirtschafts- und Europaminister Ralf Christoffers (LINKE). Hinter Platzecks Vorschlag mache er ein »Fragezeichen«, doch müsse man alle Varianten nutzen, um den Konflikt zu entschärfen.
SPD-Landtagsfraktionschef Klaus Ness gestand dem einstigen Ministerpräsidenten Platzeck zu, »nach Lösungen zu suchen«, wie die kriegerischen Handlungen möglichst schnell eingestellt werden können. Die Sanktionspolitik des Westens habe in Russland nur dazu geführt, dass sich die Bevölkerung mehr denn je um Putin schare.
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