Getrieben von »Rattenfängern«

Sachsen sucht neuen Kurs zu Asyl / Proteste gegen Vorschlag des Innenministers

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sachsen wollen sich Freistaat und Kommunen in der Asylpolitik besser abstimmen. Der CDU-Innenminister gibt den harten Hund - und erntet scharfen Widerspruch.

So war das nicht geplant. Am Montagabend trafen sich in Dresden Minister, Landräte und Bürgermeister, um den Umgang mit Asylbewerbern im Freistaat besser abzustimmen. Es ging um Unterbringung und Kurse zum Erlernen der deutschen Sprache, die künftig vom Freistaat und aus EU-Fördermitteln finanziert werden; man sprach über Sozialarbeiter und Integrationsangebote in Sportvereinen - kurz: um »Zuwanderung als Aufgabe für die gesamte Gesellschaft«, wie es Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) gestern sagte.

In den Nachrichten war am Tag des Asylgipfels jedoch nicht das Treffen selbst die Topmeldung, sondern ein Vorstoß von Innenminister Markus Ulbig. Der CDU-Politiker hatte per Interview die Einrichtung polizeilicher »Sondereinheiten« avisiert, die gegen kriminelle Migranten ermitteln sollten. Von dem Begriff rückte er Dienstag zwar ab; Ulbig sprach von Teams aus »Spezialisten«. Sie sollen sich der 1000 Straftaten annehmen, die 170 Zuwanderern zugerechnet werden. Zur Einordnung: Es handelt sich um ein knappes Drittel der von Ausländern verübten und um nur 0,6 Prozent der 2013 im Freistaat begangenen Straftaten. Nach Sachsen kommen 2014 rund 11 000 Flüchtlinge.

Köpping hält es für eher unglücklich, dass ausgerechnet dieser Aspekt vorab thematisiert wurde. Allerdings darf man Ulbig, der seit 2009 Minister ist, zuvor OB von Pirna war und politisch alles andere als unerfahren ist, Kalkül unterstellen. Die Meldung machte just an dem Tag die Runde, da in Dresden erneut eine Initiative namens »Pegida« (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) zur Demonstration aufrief - der sechsten in Folge. In den Reden, noch mehr aber in den Internetbeiträgen wird massiv gegen Zuwanderung mobilisiert und Stimmung gegen eine angebliche »Überfremdung« geschürt. Binnen weniger Wochen ist die Zahl der Teilnehmer auf diesmal 5500 gestiegen.

Ulbigs Vorstoß dürfte den Zweck gehabt haben, Druck aus diesem Kessel zu lassen. Schon auf frühere Proteste etwa gegen die Eröffnung von Asylbewerberheimen hatte der CDU-Mann mit Forderungen wie denen nach einer Verkürzung der Asylverfahren sowie nach schnellerer Abschiebung reagiert. Ulbigs jetzige Idee wurde bei der Pegida-Demonstration denn auch aufmerksam registriert - und als erster Erfolg der Aufmärsche gewertet. Zu erwarten ist freilich, dass dies den Veranstaltern Rückenwind verschafft - ungeachtet der Tatsache, dass Ulbig unverblümt von »Rattenfängern« spricht, denen der »Nährboden« entzogen werden müsse. Ulbig will aber Menschen von den Demonstrationen »wegbekommen«, die beunruhigt von der stark steigenden Zuwanderung, aber nicht rechtsextrem seien - »damit das keine Welle wird«, wie er formulierte.

Dass es in diesem Zusammenhang hilfreich ist, wenn ausgerechnet Minister den Blick auf angeblich kriminelle Ausländer lenken, ist aber umstritten. Ulbig, designierter OB-Kandidat der CDU in Dresden, wolle sich »als Law-and-Order-Politiker profilieren«, heißt es von den Dresdner Grünen. Sie weisen darauf hin, dass nicht zuletzt ranghohe sächsische Polizisten in Bürgerversammlungen mit Statistiken den Vorbehalten über vermeintlich steigende Kriminalität rund um Flüchtlingsheime entgegen treten. Dresdens SPD-Chef Oberstaatsanwalt Christian Avenarius äußerte sich besorgt, dass Ulbig seine »sachorientierte Politik« verlasse, um sich einen Vorteil im Wahlkampf zu verschaffen. In Zeiten von »Pegida« sei es »von großer Bedeutung, dass alle demokratischen Parteien zusammenstehen«, so Avenarius. Juliane Nagel, LINKE-Abgeordnete im Landtag, warf dem Minister vor, Rassismus »hoffähig« zu machen. Und der Flüchtlingsrat erklärte, die Aufklärungsarbeit ehrenamtlicher Initiativen werde durch Vorstöße wie den von Ulbig »ad absurdum« geführt.

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