Auch Polizisten haben Vorurteile gegen Ausländer
Veranstaltung mit Spitzenbeamten befasste sich mit Lehren aus dem NSU-Skandal
»Wir können in Brandenburg nicht so tun, als ob wir mit der NSU-Affäre nichts zu tun haben«, meint die Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne). Was Landeskriminaldirektor Roger Höppner zuvor sagte, hat für die Politikerin so geklungen. Es gebe keine Erkenntnisse, dass der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) auf märkischem Territorium aktiv gewesen sei, erklärte Höppner.
Am späten Freitagnachmittag gab es an der Fachhochschule der Polizei in Oranienburg eine Veranstaltung zu Konsequenzen aus der Entdeckung der Terrorzelle NSU. Teilgenommen haben Referatsleiter des Innenministeriums, der Referent für politisch motivierte Kriminalität, die Chefs der vier Polizeidirektionen und des Landeskriminalamts und der Abteilungsleiter Staatsschutz sowie andere Spitzenbeamte. Von einem Versagen der Sicherheitsbehörden war bei dieser Veranstaltung oft die Rede. Um seine Ausführungen zu illustrieren, wählte Kriminaldirektor Höppner als Exempel allerdings das sachsen-anhaltische Aschersleben, wo ausgerechnet an der dortigen Fachhochschule der Polizei eine Ausstellung zur NSU-Mordserie mit Hakenkreuzen beschmiert wurde.
Ob es denn keine Beispiele aus Brandenburg gebe, will die Abgeordnete Nonnemacher wissen. Hochschulpräsident Rainer Grieger ist um ein solches Beispiel nicht verlegen. Zwei Polizeianwärter hat er hinausgeworfen und angezeigt, weil sie im Internet rassistische Witze geliked, also gutgeheißen haben. Einer der Anwärter wurde vom Amtsgericht Oranienburg verurteilt, der andere in Berlin freigesprochen. Die Berliner Begründung: Es seien doch nur Witze gewesen. Aber da versteht Grieger keinen Spaß. Er empfindet es als Zumutung, dass die Justiz ihn zwang, den einen der beiden jungen Männer wieder in die Fachhochschule aufzunehmen.
»Natürlich haben wir Rassisten in der Polizei.« Einige der Uniformierten im Saal nicken, als Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler das sagt. Daimagüler vertritt als Nebenkläger sechs Geschwister und eine Tochter von zwei NSU-Opfern. Mit Vorurteilen, die Kriminalbeamte gegen Ausländer haben, und mit institutionellem Rassismus erklärt sich der Rechtsanwalt die Ermittlungspannen. Da sei starrsinnig behauptet worden, die Opfer seien Teil der organisierten Kriminalität gewesen, obwohl das Finanzgebaren einwandfrei war, Drogenhunde nichts fanden und auch das Abhören von Telefonen keine Bestätigung für den falschen Verdacht lieferte. Dagegen wurde Hinweisen von sieben Zeugen auf zwei verdächtige Radfahrer nicht nachgegangen, weil diese nicht fremdländisch ausgesehen hatten. Daimagüler spricht von einem »extremen Tunnelblick« der Polizisten, die sich Neonazis als Täter nicht vorstellen konnten, nur weil es kein Bekennerschreiben gab. Als unfähig lassen sich die mit der Sache befassten Polizisten bezeichnen. Doch ein Verfassungsschutz, der lügt und einem Zeugen aus der Naziszene den Anwalt bezahlt, wie wäre der zu beurteilen? »Der NSU hat mein Vertrauen in den Rechtsstaat nicht erschüttert. Das hat der Verfassungsschutz getan«, beklagt Daimagüler.
Über den V-Mann »Piato« gibt es im NSU-Verfahren eine Verbindung zum brandenburgischen Verfassungsschutz. Man könne ja diskutieren, ob es überhaupt V-Leute geben sollte, sagt Innenstaatssekretär Arne Feuring. Doch jetzt habe Brandenburgs Polizei den Zeugenschutz von »Piato« übernehmen müssen. »Überhaupt keine Frage, der Mann sagt aus«, verspricht Feuring. Die Befragung sei nie in Frage gestellt worden, nur die Umstände, beteuert der Leiter der Polizeiabteilung 4 im Innenministerium, Herbert Trimbach. Es sei nicht beabsichtigt, etwas zu vertuschen. Trimbach hat das notwendige Schriftstück unterzeichnet. »Der Zeuge ›Piato‹ wird aussagen.«
Das NSU-Debakel soll sich nicht wiederholen. Am Freitag ist das ehrliche Bemühen darum zu spüren. Aber als die SPD-Landtagsabgeordnete Inka Gossmann-Reets noch einmal nach den Konsequenzen fragt, zeigt sich, dass niemandem schnell und sicher wirksame Maßnahmen einfallen. In Aus- und Weiterbildung von Polizisten wird vor allem auf interkulturelles Training gesetzt.
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