Logistiker des Todes tot?
SS-Massenmörder Alois Brunner soll angeblich in Syrien begraben sein
Er war einer der meistgesuchten Naziverbrecher. Keine Bestie, nein, ein Technokrat, ein gründlicher obendrein. Der gebürtige Österreicher war im Naziregime der wichtigste Mitarbeiter von Adolf Eichmann. Gemeinsam organisierten die beiden SS-Offiziere die Deportation der Juden aus Berlin, Wien, aus Frankreich, der Slowakei, Griechenland und anderen europäischen Staaten. Der geplante Tod von mindestens 128.500 Juden wird Brunner angelastet. Pedantisch wachte der SS-Hauptsturmführer darüber, dass die Züge nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager rollten.
Während Eichmann 1960 von israelischen Geheimagenten aus Argentinien entführt und in Jerusalem zum Tode verurteilt wurde, konnte sich Brunner diesem Schicksal entziehen. Dabei wussten viele, dass er zumeist in Syrien lebte. Der israelische Mossad schickte dem gehassten Feind sogar zwei Briefbomben, Brunner büßte einige Finger und wohl ein Auge ein. Doch seiner habhaft wurde man nicht.
Die Information über Brunners Tod habe man von einem ehemaligen deutschen Geheimdienstagenten im Nahen Osten erhalten. Da sei er auch begraben, sagte Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem. Das klingt alles ein wenig vage. Zweifelsfrei feststellen lässt sich das in dem Alter durchaus natürliche Ableben des Verbrechers freilich nicht. Das Bürgerkriegsland Syrien ist derzeit nicht der Ort für solide forensische und sonstige Nachforschungen.
Dennoch ist der Hinweis auf einen deutschen Geheimdienstmitarbeiter interessant. Denn mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) war Brunner in vielfacher Weise verbunden. Wie direkt, sollten die mit der Erforschung der BND-Geschichte beauftragten Experten herausfinden.
Brunner hatte nach dem Krieg zunächst unter falschem Namen in Essen gelebt. Die alten Kameraden sorgten lange Zeit für seine Sicherheit. Dann jedoch musste er fliehen. Das war schon in den 50er Jahren. Wieder waren Kameraden hilfreich. Insbesondere solche, die im Bundesnachrichtendienst des ehemaligen Hitler-Spionagegenerals Reinhard Gehlen arbeiteten. Als Georg Fischer tauchte Brunner in der syrischen Hauptstadt Damaskus ab. Dort krümmte man dem Judenmörder, der nun selbstgemachtes Sauerkraut vertrieb, kein Haar.
Brunner diente sich dem Regime an, als Folterspezialist schien er ein oft konsultierter Partner der Geheimpolizei. Der syrischen Regierung war es einerlei, dass Brunner von französischen Gerichten wegen seiner Verbrechen an den französischen Juden zweimal zum Tode und einmal zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Merkwürdig spät, doch immerhin, setzten auch die Justizbehörden von Hessen und Nordrhein-Westfalen setzten eine Belohnung von einer halben Million Mark für Hinweise zu seinem Aufenthaltsort aus.Doch es war kein Geheimnis, wo Brunner lebte.
1985 gab er der Illustrierten »Bunte« ein Interview. Reue war in seinen stark zensierten Äußerungen nicht zu erkennen. Zwei Jahre redete Brunner mit einem Mann der österreichischen Kronenzeitung. So viel Öffentlichkeit gefiel dann auch irgendwann Diktator Hafis al-Assad nicht mehr. Brunner musste Damaskus verlassen und wurde in einem Gästehaus der Regierung im Bergdorf Slinfah untergebracht. Was tun mit dem geltungssüchtigen Massenmörder? Da kam das Interesse, dass die DDR plötzlich an Brunner entwickete, gerade recht.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wusste recht genau, wer dieser Dr. Fischer in Damaskus war. Es war bekannt, dass er von seiner in Österreich wohnenden Tochter Besuch bekam, dass er mit dem syrischen Geheimdienst, zu dem das MfS guten Kontakt hatte, kooperierte.
Ende 1985 kam ein Franzose in die DDR-Hauptstadt und suchte Kontakt zu den Behörden. Sein Namen: Serge Klarsfeld. Er und seine in Westdeutschland geborene Frau Beate waren bekannt als unerschrockene Nazi-Jäger. Sie haben unter anderem den früheren Lyoner Gestapo-Chefs Klaus Barbie Anfang der siebziger Jahre in Bolivien aufgespürt. 1983 wurde er nach Frankreich ausgeliefert, 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt. Das MfS unterstützte die Arbeit der Klarsfelds. Nun schlugen die vor, Alios Brunner aus Damaskus zu entführen und in der DDR vor Gericht zu stellen.
Stasi-Chef Erich Mielke stimmte Ende 1986 zu, Vorbereitungen für eine solche Geheimoperation zu treffen. Wobei er das sicher nicht ohne Rückendeckung von SED- und Staatschef Erich Honecker tat. 1988 gab es im DDR-Außenministerium ein Gespräch mit Beate Klarsfeld. Sie bat die DDR, einen Auslieferungsantrag an Syrien zu stellen. Mit Frankreich hatte die DDR offenbar auch das Wesentliche besprochen. Mitte April 1989 waren auch die Verhandlungen zwischen Berlin und Damaskus über eine Abschiebung Brunners offenbar so weit vorangekommen, dass DDR-Außenminister Oskar Fischer notieren konnte: »Genosse Erich Honecker hat festgelegt, dass der Generalstaatsanwalt der DDR die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Strafverfolgung Brunners für den Fall seines Eintreffens in der DDR einleitet,«
Doch zu dem Zeitpunkt hatten die DDR-Oberen schon ganz andere Sorgen. Die DDR trieb in ihren Untergang. Der SS-Mörder Brunner kam noch einmal davon. Es ist nicht bekannt, dass das nun geeinte Deutschland in der Folge wesentliche Anstrengungen unternommen hat, um Brunner – ganz gleich wo - vor ein Gericht zu stellen.
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