Partnersuche übers Schwarze Meer

Kooperation zwischen Russland und der Türkei wird ausgebaut

  • Jan Keetman
  • Lesedauer: 4 Min.
Russland und die Türkei kommen sich näher. Ankara will den Handel mit Russland verdreifachen. Moskau verspricht Erdgas. Das ärgert die NATO, die auf Einhaltung ihrer Sanktionen gegen Russland pocht.

Bei der NATO sieht man die russisch-türkische Annäherung nicht gerne, scheint sie doch die angesichts der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen gegen Russland zu konterkarieren. In der Zeitung »Yeni Safak« (Neue Morgenröte) träumte man dagegen bereits von einer neuen geopolitischen Rolle der Türkei durch die Annäherung, allerdings nicht ganz ohne Hinweis auf so manche Probleme.

Dass dem frischgebackenen Präsidenten und Palastherrn der nach dem Papst zweite Staatsgast gerade recht kam, ist nicht schwer zu erraten. Nicht umsonst erinnert die Bezeichnung des wenig bescheidenen neuen Präsidentenpalastes in Ankara »Ak Saray« (Weißer Palast) zum Verwechseln an »Beyaz Saray«, was zwar auch »Weißer Palast« heißt, zugleich aber die im Türkischen übliche Formulierung für das »Weiße Haus« in Washington ist. Nun fehlt nur noch, dass in dem neuen Häuschen auch Weltpolitik gemacht wird. Der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte einiges davon.

Putin nutzte die Bühne, um der EU zu zeigen, dass Russland auch andere Partner haben kann. Das Projekt einer Gaspipeline am Grund des Schwarzen Meeres, das Südeuropa versorgen sollte, der sogenannte »South Stream«, wird gestrichen und dafür die Kapazität einer Pipeline mit der Türkei gesteigert. Die Türken bekommen außerdem den von ihnen lange gewünschten Preisnachlass beim Erdgas von sechs Prozent. Das Handelsvolumen soll verdreifacht werden auf 100 Milliarden Dollar im Jahr.

Der Besuch passt sowohl dem russischen Präsidenten als auch seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan gut ins Konzept. Putin hat sich mit den USA und Westeuropa wegen der Ukraine überworfen. Erdogan musste wegen seines autoritären Regierungsstils einige Kritik ertragen. Das Verhältnis mit den USA ist wegen der Weigerung Ankaras, den Luftwaffenstützpunkt bei Incirlik für den Kampf gegen den Islamischen Staat freizugeben, gespannt, auch wenn beide Seiten versuchen, das herunterzuspielen. Außerdem setzte Erdogan jüngst auf antiwestliche Polemik. Auf dem Gipfel der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Istanbul sagte Erdogan am Wochenende mit offensichtlichem Bezug auf westliche Besucher laut der Agentur Anadolu: »Jene, die von außen kommen, schauen uns an wie Freunde, aber sie erfreuen sich an unserem Tod und an dem unserer Kinder.«

Mit Putin ist das Verhältnis da eher so wie einst mit Italiens früherem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi oder dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Doch daran will Erdogan heute nicht mehr erinnert werden.

Kritik etwa wegen der Einschränkung der Pressefreiheit oder der Internetzensur braucht Erdogan von Putin nicht zu befürchten. Doch als Erdogan bei der gemeinsamen Pressekonferenz von der Notwendigkeit der Beseitigung des Assad-Regimes sprach, widersprach ihm Putin entschieden: Assad sei schließlich mit hohem Stimmenanteil gewählt. Das sei bei Putschisten am Ende immer so, entgegnete Erdogan, bei einer demokratischen Wahl sähe es anders aus. Man hätte Erdogan an dieser Stelle natürlich fragen können, wie demokratisch die Wahlen in Syrien in der Zeit waren, als Assad und er gemeinsame Kabinettssitzungen abhielten.

Die Ankündigung beider Staaten eine gemeinsame Plattform zur Koordinierung ihrer Syrienpolitik zu bilden, hat mit Sicherheit keine praktische Bedeutung, denn die Standpunkte sind diametral entgegengesetzt und für beide Seiten essenziell. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass sich beide auch mit den USA uneinig sind.

Klar haben die beiden Länder Vorteile von der ökonomischen Kooperation. Doch auch da sind die Aussichten nicht ganz so rosig. Eine Verdreifachung des Handelsvolumens kann man zwar verkünden, aber außer beim Gas können Präsidenten dafür nicht viel tun. Ähnliche Ankündigungen gab es schon bei einem Besuch Erdogans bei Mahmud Ahmadinedschad, Irans Präsident bis 2013. Danach aber kühlten die Wirtschaftsbeziehungen sogar ab. In der Vergangenheit hatten russische Behörden schon mehrfach Beanstandungen bei türkischen Produkten wie etwa Tomaten; zum Wohle der heimischen Produzenten. Das ist derzeit angesichts der Sanktionen des Westens kaum zu befürchten.

Doch auch während Erdogan und Putin in Erdogans neuem Palast in Ankara parlierten, stürzte der Rubel weiter ab. Die Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei konnte das offenbar nicht bremsen, fielen die Energiepreise doch weiter. Mit einem Rubel, der seit Jahresbeginn 40 Prozent seines Wertes verloren hat, ist Russland kein besonders ertragreicher Markt für türkische Exporteure. Umgekehrt wäre Russland mit einer Pipeline South Stream besser gefahren als mit der Erhöhung der Gasexporte in die Türkei. Der gewährte Preisnachlass zeigt dies zur Genüge.

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